Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. Das ist deutlich mehr als bei vielen vorhergehenden Berechnungen dieser Klimabilanz. Der Grund dafür: Forscher aus Österreich und den Niederlanden haben für die neue Kalkulation auch berücksichtigt, welche Flächen für die Tierzucht und -haltung benötigt werden. Auf dem für die Rinder genutzten Weideland könne kein Wald mehr wachsen, der das Treibhausgas aus der Atmosphäre aufnehme und so das Klima entlaste. Dadurch verschärfe sich der negative Einfluss der Tierhaltung auf das Klima zusätzlich, berichten die Forscher im Fachmagazin „International Journal of Life Cycle Assessment“.
Rindfleisch aus Mitteleuropa schneidet in der Bilanz der Wissenschaftler deutlich besser ab, mit nur umgerechnet 111 Kilometern Autofahrt. Das liegt unter anderem daran, dass hier Rinder für die Fleischproduktion meist in Mastställen gehalten werden und keine großen Weideflächen beanspruchen. Als am klimaverträglichsten unter den Fleischprodukten erwies sich deshalb auch in Europa erzeugtes Hühnerfleisch: Ein Kilogramm des Geflügelfleischs ist nach den Berechnungen der Forscher für den Ausstoß von durchschnittlich 6,4 Kilogramm CO2 verantwortlich, dies entspricht nur 31 Autokilometern.
Stallhaltung trotzdem ökologisch nicht besser
Das aber heißt nicht, dass die bei uns übliche Stallhaltung der Tiere ökologisch besser sei, betonen die Forscher: „Die industrielle Tierhaltung ist eine Sackgasse, auch wenn sie in der Klimabilanz manchmal besser abschneidet als die Weidehaltung“, sagt Erstautor Kurt Schmidinger von der Universität Wien. Würde man statt der Weidenhaltung alle Rinder in Ställen halten und mit Kraftfutter ernähren, bräuchte man dafür mehr Ackerland, um das Tierfutter anzubauen. „Das hätte Konsequenzen für die Welternährungssituation“, sagt der Forscher. Auch unter Gesichtspunkten wie globalen Seuchen, Antibiotikaresistenzen, Tierschutz, Biodiversität, Wasserverschmutzung, Bodenerosion und vielen anderen sei die industrielle Tierhaltung sehr problematisch.
„Pflanzliche Lebensmittel hingegen schneiden unter Einbeziehung aller ethischen Aspekte der Welternährung tatsächlich wesentlich besser ab als Tierprodukte“, sagt Schmidinger. In der Studie erzielten Pflanzenprodukte die mit Abstand besten Klimawerte: So verursacht die die Produktion von einem Kilogramm Tofu umgerechnet 3,8 Kilogramm CO2, das entspricht 19 gefahrenen Autokilometern.
Differenz zum Idealzustand Wald mit einzogen
Für ihre Studie hatten die Forscher die Klimabilanz verschiedener Lebensmittel nach der weltweit gängigen Life Cycle Assessment-Methode ermittelt. Dabei wird berechnet, wie viel CO2 bei der Erzeugung eines Produkts freigesetzt wird – sowohl durch direkte Emissionen wie durch den Energieverbrauch oder den Transport, als auch indirekt, beispielsweise durch die Produktion von Futtermitteln oder anderen Rohstoffen.
Als Neuerung berücksichtigten die Wissenschaftler nun zusätzlich auch die Klimaeffekte, die auftreten, weil die genutzten Flächen nicht mehr als CO2-Senke zur Verfügung stehen. Weideland beispielsweise kann sehr viel weniger CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und im Pflanzenmaterial speichern als ein Wald. Würde man auf diesen Flächen keine Rinder halten, könnten sie daher potenziell das Klima entlasten und damit einen Teil der Treibhausgasemissionen ausgleichen. Diese Differenz zum Idealzustand Wald rechneten die Forscher zur Emissionsbilanz der Lebensmittel dazu und kamen so auf ihre höheren Werte. (doi: 10.1007/s11367-012-0434-7)
(International Journal of Life Cycle Assessment, 25.05.2012 – NPO)