Paläontologie

Erstes Landwirbeltier robbte wie ein Seehund

Hüfte von Urzeit-Vierbeiner Ichthyostega war zu unbeweglich für echten Gang

Lebendrekonstruktion von Ichtyostega © Stephanie Pierce

Eines der ersten urzeitlichen Landwirbeltiere konnte vermutlich noch nicht laufen, sondern robbte eher wie ein Seehund an Land. Die Hüften und Hinterflossen des vor rund 360 Millionen Jahren lebenden Ichthyostega waren für einen echten Vierbeinergang noch nicht beweglich genug. Das hat ein britisches Forscherteam bei der Analyse von Fossilien dieser Übergangsform zwischen Wasser- und Landwirbeltieren festgestellt. Die Rekonstruktion zeige, dass die gängige Vorstellung falsch sei, nach der Ichthyostega bereits ähnlich wie heutige Salamander auf allen Vieren lief. Auch die vor zwei Jahren in Polen entdeckten 400 Millionen Jahre alten Fußspuren könnten daher nicht von diesem Vierbeiner oder einem seiner engen Verwandten stammen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.

Bis vor gut 400 Millionen Jahren gab es auf den urzeitlichen Kontinenten noch keine vierbeinigen Landtiere. Erst allmählich begannen die zunächst noch fischähnlichen Wirbeltiere auch die Kontinente zu erobern. Als einer der ältesten dieser Landgänger gilt Ichthyostega, ein rund eineinhalb Meter langes Wirbeltier, das bereits Lungen besaß. Seine Flossen waren zu kräftigen, paddelartigen Beinen umgewandelt. Ob Ichthyostega mit ihnen aber schon richtig laufen konnte, war bislang unklar.

„Unser Rekonstruktion zeigt, dass man noch lange nicht laufen kann, nur weil man Extremitäten besitzt“, sagt Erstautorin Stephanie Pierce von der University of Cambridge und dem Royal Veterinary College in Hatfield. Ichthyostega habe seine Beine nicht ausreichend drehen können, um seinen Körper vom Boden anzuheben und die Gliedmaßen abwechselnd vorwärts zu bewegen. Bei diesen Wirbeltieren habe die Umwandlung von Schwimmflossen zu stabileren Gliedmaßen demnach schon begonnen, bevor sie die Fähigkeit entwickelten, auf allen Vieren zu laufen.

Aus CT-Aufnahmen rekonstruiertes 3D-Modell des Knochenbaus von Ichthyostega, hier eine Ansicht schräg von vorne. © Stephanie Pierce

3D-Modell verrät Beweglichkeit der Gelenke

Für ihre Studie hatten die Forscher mehrere fossile Ichthyostega-Skelette mit Hilfe der Computertomografie analysiert. Aus den resultierenden Aufnahmen rekonstruierten sie ein dreidimensionales Modell, an dem sie genau untersuchen konnten, welche Bewegungen Schulter- und Hüftgelenke zuließen. Zum Vergleich erstellten die Wissenschaftler Modelle von heutigen Tieren, darunter Salamander, Krokodil und Seehund, die sich möglicherweise ähnlich fortbewegen wie einst Ichthyostega.

„Im Gegensatz zu modernen Vierbeinern erlaubt das Hüftgelenk von Ichthyostega nur eine minimale Rotation der Beine um die Längsachse“, erklären die Forscher. Weil seine Gliedmaßen zudem in einem Winkel von rund 45 Grad vom Körper abstanden, konnte dieses Ur-Amphibium seine Hinterfüße vermutlich nicht flach auf dem Boden aufsetzen. „Diese frühen Vierbeiner nutzten wahrscheinlich ihre Vordergliedmaßen ähnlich wie Krücken, um ihren Körper vorwärts zu stemmen“, sagt Pierce.

Aus CT-Aufnahmen rekonstruiertes 3D-Modell des Knochenbaus von Ichthyostega, hier eine Draufsicht. © Stephanie Pierce

Interessanterweise besaßen einige vor Ichthyostega lebende Urzeitfische durchaus schon drehbare Flossen, wie die Forscher anmerken. Der Weg an Land habe demnach entweder generell über ein Zwischenstadium geführt, in dem Schulter und Hüfte weniger beweglich waren, oder aber Ichthyostega sei in dieser Beziehung ein Sonderfall der Evolution gewesen. (doi:10.1038/nature11124)

(Nature, 24.05.2012 – NPO)

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