Medizin

Erwachsene schlafwandeln häufiger als gedacht

Erbliche Veranlagung, Schlafmangel und Medikamente fördern das Aufstehen im Tiefschlaf

Schlafwandeln kommt auch unter Erwachsenen häufiger vor als bisher angenommen – und hat nichts mit einer psychischen Störung zu tun. Stattdessen ist die Veranlagung zu diesem Verhalten wahrscheinlich vererbt. Das berichten US-amerikanische Forscher im Fachmagazin „Neurology“. Ihrer Studie nach sind 3,6 Prozent der erwachsenen US-Bürger allein im letzten Jahr mindestens einmal im Tiefschlaf in ihrer Wohnung umhergewandert. In Europa ergab eine ähnliche Studie eine Häufigkeit von immerhin rund zwei Prozent der Erwachsenen.

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„Schlafwandeln ist damit im Erwachsenenalter weitaus häufiger als bisher gedacht“, schreiben Maurice Ohayon von der Stanford University in Kalifornien und seine Kollegen. Rechne man das Schlafwandeln im Kindesalter dazu, hätten 29 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal eine Phase des Schlafwandelns erlebt.

Normalerweise tritt Schlafwandeln während des Tiefschlafs auf. Die Betroffenen stehen aus ihrem Bett auf, gehen umher, verlassen den Raum oder sogar das Haus. In einigen Fällen essen Schlafwandler auch im Schlaf oder führen scheinbar sinnvolle Tätigkeiten aus. Obwohl ihre Augen weit geöffnet sind, merken die Schlafenden von alledem meist erst etwas, wenn sie plötzlich aufwachen und sich nicht wie gewohnt im Bett wiederfinden.

„Lange Zeit galt Schlafwandeln als Symptom einer psychischen Störung, vor allem dann, wenn es über die Kindheit hinaus anhielt“, sagen die Forscher. Bis heute seien die Auslöser für diese Schlafstörung weitestgehend unbekannt. Klar sei, dass etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen zum Schlafwandeln neige. Wie häufig dieses Phänomen bei Erwachsenen auftritt, darüber habe es aber bisher kaum Daten gegeben.

Man schlafwandelt nicht nur einmal

Um diese Wissenslücke zu schließen, hatten die Forscher mehr als 15.000 Bürger nach ihren Schlafgewohnheiten, Schlafstörungen und verschiedenen gesundheitlichen Faktoren befragt. Da vor allem allein lebende Personen nicht immer selbst bemerken, dass sie schlafwandeln, seien die Ergebnisse dieser Studie vermutlich eher zu niedrig als zu hoch, sagen die Wissenschaftler. Die Auswertung ergab unter anderem, dass Männer und Frauen gleich häufig schlafwandeln. Die Schlafstörung bleibt zudem auch bei Erwachsenen selten ein Einzelfall: 80 Prozent der Betroffenen hatten diese Störung schon länger als fünf Jahre und schon mehrfach solche Episoden erlebt.

Häufung in der Familie verrät erbliche Veranlagung

Hinweise auf eine erbliche Veranlagung zeigte sich, als die Forscher nach Fällen in der Verwandtschaft der Schlafwandler fragten: „Bei rund einem Drittel von ihnen gab es eine Häufung von Schlafwandlern in der Familie“, schreiben Ohayon und seine Kollegen. Das lege nahe, dass Schlafwandeln eine organische Ursache habe. Diese Schlussfolgerung werde auch durch eine erst kürzlich durchgeführte Genanalyse bestätigt. Bei dieser fanden Forscher bei Schlafwandlern häufig eine Genveränderung auf dem Chromosom 20.

Neben der genetischen Veranlagung bestimmten aber auch äußere Faktoren, wie häufig jemand tatsächlich schlafwandelt. Weniger als sieben Stunden Schlaf pro Nacht können beispielsweise diese Störung fördern, wie die Studie zeigte. Auch bestimmte Medikamente, darunter Schlafmittel und Antidepressiva, erhöhten das Risiko für ein Schlafwandel-Ereignis deutlich. „Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass diese Arzneimittel allein das Schlafwandeln verursachen“, meinen die Forscher. Sie vermuten eher, dass die Präparate konkrete Episoden bei denjenigen auslösen, die ohnehin für das Schlafwandeln veranlagt sind. (doi:10.1212/WNL.0b013e3182563be5)

(Neuology, 16.05.2012 – NPO)

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