Die Sanddünen auf dem Mars sind genauso aktiv wie die Wanderdünen auf der Erde: Im Dünenfeld von Nili Patera wandern sie um durchschnittlich zehn Zentimeter pro Jahr weiter. Kleinere Sandrippel ziehen sogar um rund 4,5 Meter in nur gut hundert Tagen. Das hat ein US-amerikanisches Forscherteam aus den Bilddaten der Marssonde Mars Reconnaissance Orbiter ermittelt. Zuvor hatte man zwar Veränderungen an der Oberfläche der Dünen entdeckt, es blieb aber unklar, ob sich die Sandberge auch heute noch als Ganzes bewegten. Jetzt zeige sich, dass die Dünen des Mars nicht statisch seien, sondern mobil. Sie hätten sogar unerwartet starke Sandströmungen, die denen im Victoria Valley in der irdischen Antarktis ähnelten, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature“.
„Viele Jahre lang haben Forscher darüber debattiert, ob Dünen auf dem Mars fossile, vom vergangenen Klima geschaffene Strukturen sind oder nicht“, sagt Jean-Philippe Avouac vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena, der die Studie initiierte. Viele hätten angenommen, dass die Atmosphäre des Roten Planeten heute viel zu dünn sei, um die Dünen durch Wind bewegen zu können. Einem Ende 2011 veröffentlichten Modell nach könnten allenfalls starke Staubstürme genügend Kraft haben, um Wanderungen anzustoßen.
Jetzt zeige sich, dass die Windbedingungen in Nili Patera und wahrscheinlich auf einem Großteil der Marsoberfläche sehr wohl ausreichend seien, um die bis zu 50 Meter hohen Dünen zu bewegen, meinen die Forscher. Der Sand werde dabei ähnlich effektiv transportiert wie auf der Erde. „Unsere neuen Daten zeigen, dass die Windaktivität tatsächlich eine Haupttriebkraft für die Entwicklung der Landschaft auf dem Mars ist“, sagt Avouac.
Den Daten nach benötigen die schnellsten Sandberge im Dünenfeld Nili Patera nur rund 170 Jahre, um als Ganzes eine Dünenlänge vorwärts zu wandern. Bei den langsameren von ihnen dauert dies ein paar Tausend Jahre. „Verglichen mit gleich hohen irdischen Dünen sind die Wanderungsraten in Nili Patera damit nur um ein bis zwei Größenordnungen langsamer“, berichten die Wissenschaftler. Bisher glaubte man, dass die marsianischen Dünen – wenn überhaupt – mindestens zehntausendfach langsamer wandern.
Software hilft beim Bildervergleich
Für ihre Studie nutzten die Forscher das High Resolution Imaging Science Experiment (HiRISE) an Bord der Sonde Mars Reconnaissance Orbiter. Diese Spezialkamera liefert Bilder mit einer Auflösung von 25 Zentimetern pro Pixel. Mit Hilfe einer speziellen Software verglichen die Forscher zwei im Abstand von 105 Tagen aufgenommene Bilderpaare der Kamera. Sie suchten dabei systematisch nach winzigen Veränderungen in Dünenform, -position und Rippelmuster des Dünenfelds Nili Patera. Dieses liegt in einer Senke nahe des Mars-Äquators.
„Dies ist das erste Mal, dass wir ein gesamtes Dünenfeld auf einem anderen Planeten vollständig quantitativ vermessen haben“, sagt Mitautor Francois Ayoub vom Caltech. Bisher seien nur lokale Messungen der Sandbewegungen an einzelnen Dünen gemacht worden.
(doi:10.1038/nature11022)
(Nature – dapd, 10.05.2012 – NPO)