Forschern ist es erstmals gelungen, einen Schlüsselfaktor für den Siegeszug des Krankenhauskeims MRSA im asiatischen Raum zu identifizieren. Es handelt sich um ein Gen namens sasX, das den Bakterien offenbar gleich mehrere Vorteile verschafft: Sie können sich besser an die Nasenschleimhaut heften, werden vom Immunsystem nicht mehr so leicht aufgespürt und sind effektiver beim Besiedeln der Lunge. Ursprünglich war sasX äußerst selten, wurde dann jedoch von Bakterium zu Bakterium weitergegeben und ist heute weit verbreitet. Es sei sehr wahrscheinlich, dass es in Kürze auch außerhalb von Asien auftreten wird, schreibt das Team um Min Li von der Fudan University in Shanghai im Fachmagazin „Nature Medicine“. Die Forscher empfehlen daher, sich bei der Entwicklung von neuen Medikamenten auf sasX zu konzentrieren.
MRSA steht für methicillinresistenter Staphylococcus aureus, eine Variante eines gewöhnlichen Hautbakteriums, gegen die die meisten gängigen Antibiotika nichts mehr ausrichten können. Sie kommt besonders häufig in Krankenhäusern vor, wo sie bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem schwerste Infektionen hervorrufen kann, die nicht selten sogar zum Tod führen. Wie es den Keimen allerdings gelungen ist, ihren praktisch weltweiten Eroberungsfeldzug anzutreten, ist noch weitestgehend unklar.
Rasche Ausbreitung eines seltenen Gens
Ein entscheidender Faktor könnten Gene wie sasX sein, zeigen nun die Ergebnisse der Gruppe um Li. Die Forscher hatten exemplarisch die Verbreitung von S. aureus im Osten Chinas in den Jahren 2003 bis 2011 untersucht und dabei mehr als 800 Proben analysiert. Dabei entdeckten sie, dass das ursprünglich sehr seltene sasX praktisch ausschließlich in resistenten Staphylokokken auftritt und bereits 2003 in etwa einem Fünftel der Proben zu finden war. Bis 2011 war der Anteil der sasX-positiven MRSAs auf knapp 40 Prozent gestiegen. Zudem war das Gen nicht mehr auf die ursprüngliche MRSA-Variante beschränkt, sondern ließ sich auch zunehmend in anderen Stämmen nachweisen. In Proben, die im gleichen Zeitraum bei gesunden Menschen aus der Gegend genommen wurden, kam es dagegen praktisch gar nicht vor.
Offenbar erleichtert sasX demnach den Bakterien, Infektionen beim Menschen hervorzurufen, schließen die Forscher. Weitere Untersuchungen zeigten auch, warum das so ist: sasX trägt den Bauplan für ein Eiweißmolekül, das sich auf der Oberfläche der Keime befindet und ihre Haftfähigkeit verbessert. Das gilt sowohl für die Nasenschleimhaut, wo S. aureus hauptsächlich heimisch ist, als auch für die einzelnen Bakterienzellen untereinander. sasX-positive Bakterien können also leichter große Verbände wie die gefürchteten Biofilme bilden, denen das Immunsystem kaum etwas anhaben kann. Zusätzlich scheint sasX auch noch die Aggressivität der Keime zu erhöhen, wenn diese in die Atemwege eingedrungen sind und die Lunge besiedeln.
Weltweiter Siegeszug von sasX sehr wahrscheinlich
Fazit der Wissenschaftler: sasX scheint eine, wenn nicht sogar die treibende Kraft hinter der MRSA-Epidemie in Asien zu sein. Das Gen könne zudem ganz offensichtlich zwischen verschiedenen Bakterien ausgetauscht werden, betonen sie. Damit sei es in der Lage, das krankmachende Potenzial auch bei weiteren Stämmen zu erhöhen. Auf Basis der Daten sei zu erwarten, dass die Häufigkeit von sasX sowohl in Asien als auch international weiter steigen wird – und dass das Gen deswegen ein lohnendes Ziel für die Entwicklung neuer Medikamente oder Impfungen sei.
(doi: 10.1038/nm.2692)
(Nature Medicine, 23.04.2012 – ILE)