Zoologie

Ameisen: Impfen schützt vor Pilzinfektionen

Sozialer Kontakt mit erkrankten Artgenossen sorgt für aktive Immunisierung

Ameisen © USDA

Ameisenkolonien schützen sich vor Pilzinfektionen durch eine Art soziale Schutzimpfung. Das hat ein deutsch-österreichisches Forscherteam herausgefunden. Wegameisen, die von einem parasitischen Pilz befallen sind, werden von ihren noch gesunden Artgenossen nicht gemieden, sondern intensiv geputzt und beleckt. Dadurch kommen diese Tiere ebenfalls mit dem Pilz in Kontakt, wenn auch in kleinen, nicht tödlichen Mengen. Ihr Immunsystem reagiert darauf wie auf eine Schutzimpfung: Es steigert die Produktion schützender Abwehrstoffe.

Dadurch sind diese Ameisen gegen einen massiveren Pilzbefall immun. Für die Ameisenkolonien sei diese Strategie der sozialen Immunisierung daher ein großer Vorteil im Kampf gegen Pilzinfektionen, berichten die Forscher im Fachmagazin „PloS Biology“.

Kollektive Reaktion

„Die Mitglieder des Ameisenstaats verhalten sich in vieler Hinsicht wie ein Superorganismus, ähnlich den einzelnen Zellen eines einzigen Körpers“, schreiben Matthias Konrad vom österreichischen Institut für Wissenschaft und Technik in Klosterneuburg und seine Kollegen aus Regensburg und Neuherberg in Deutschland. Auch gegenüber der Infektionen durch Bakterien, Pilze oder andere Krankheitserreger zeigen Ameisenkolonien eine kollektive Reaktion: Werden einige Ameisen infiziert, steigt die Abwehrkraft der restlichen Koloniemitglieder gegen diesen Erreger deutlich an.

Wie diese soziale Immunisierung bei Wegameisen zustande kommt, haben die Forscher jetzt für die Infektion mit dem parasitischen Pilz Metarhizium anisopliae erstmals genauer aufgeklärt. Die Sporen dieses Pilzes sitzen zunächst ein bis zwei Tage auf der Außenhaut der befallenen Ameisen. Dann bilden sie einen Ausläufer, der sich durch den Panzer bohrt. Einmal im Körperinneren angelangt, vermehrt sich der Pilz und tötet die Ameise letztlich.

Kein Alarmsignal oder Schutzstoff

In mehreren Versuchen und Tests wiesen die Wissenschaftler nach, dass die gesunden Ameisen keine schützenden Abwehrstoffe von den erkrankten Tieren erhalten, wie es bei einigen bakteriellen Infektionen im Ameisenstaat der Fall ist. Die Abwehr der gesunden Koloniemitglieder werde auch nicht durch Duftsignale oder andere chemische Botenstoffe aktiviert, sagen die Forscher.

Stattdessen löst allein der direkte Kontakt der noch gesunden Ameisen mit dem Erreger die Schutzwirkung aus, wie die Forscher feststellten. Da der Pilz in geringen Dosen nicht tödlich ist, löste das gegenseitige Putzen nur eine leichte Infektion bei den gesunden Tieren aus. Dieser Erstkontakt mit dem Erreger wappne ihr Immunsystem gegen eine nächste, schwerere Infektion mit dem Pilz, erklären Konrad und seine Kollegen. Denn dadurch würden bestimmte Immungene aktiviert, die spezifische Abwehrmittel gegen Pilze produzierten.

Vergleichbar den ersten Versuchen der Schutzimpfung

Nach Ansicht der Wissenschaftler lässt sich die Schutzstrategie der Ameisen mit den ersten Versuchen des Menschen vergleichen, sich durch Impfungen vor den Pocken zu schützen. Damals verabreichten Ärzte ihren Patienten kleine, hochverdünnte Mengen des Pockenvirus und sorgten so für eine aktive Immunisierung.

„Noch ist unklar, ob diese soziale Immunisierung bei den Ameisen absichtlich erfolgt oder aber eher ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt ihres sozialen Kontakts ist“, schreiben die Forscher. Es sei aber auffallend, dass die vom Pilz befallenen Ameisen von besonders vielen Artgenossen intensive geputzt würden. Das deute darauf hin, dass es sich hier sehr wohl um eine aktive Anpassung an die Bedrohung durch parasitische Pilze handele. (PloS Biology, 2012; doi:10.1371/journal.pbio.1001300)

(PloS Biology / dapd, 04.04.2012 – NPO)

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