Eine neue Enzyklopädie der Krebszell-Linien erleichtert zukünftig die Suche nach neuen Krebsmitteln. Der bereits knapp 1.000 Zell-Linien umfassende Katalog enthält umfangreiche Daten zum Erbgut und der Genaktivität der Krebszellen und informiert über ihre Sensibilität gegenüber 24 gängigen Wirkstoffen. Mit diesen frei verfügbaren Daten können Krebsforscher gezielter als bisher feststellen, welche Krebstypen auf welche Therapien ansprechen. Dadurch ließen sich Tests an neuen Krebsmitteln zukünftig beschleunigen, berichtet das internationale Forscherteam im Fachmagazin „Nature“. Die Enzyklopädie ebnet aber auch den Weg zu einer personalisierten Krebsmedizin – einer auf die individuelle genetische Veranlagung des Patienten zugeschnittenen Therapie.
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„Wir glauben, dass die Cancer Cell Line Encyclopedia (CCLE) Entdeckungen in der gesamten Gemeinde der Krebsforscher katalysieren wird“, sagt Todd Golub, Krebsgenetiker der Harvard Medical School in Boston und Mitautor der Studie. Die ersten Schritte für diesen Katalog seien nun getan. Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler mehr als 50.000 genetische und molekulare Merkmale der Krebszelllinien analysiert und zusammengetragen. Speziell entwickelte Algorithmen halfen ihnen dabei, die gewaltigen Datenmengen zu katalogisieren.
Zentraler Katalog fehlte bisher
Rund 1.200 kommerziell erhältliche Krebszell-Linien bilden den Grundstock der Krebsforschung. Die in Kultur gezüchteten entarteten Zellen vermehren sich unendlich lange weiter und können daher jederzeit für Experimente genutzt werden. Bisher gab es allerdings kein zentrales Verzeichnis, in dem Forscher nachschauen konnten, welche genetischen Eigenheiten oder Wirkstoffresistenzen die jeweilige Zell-Linie besitzt. Erwischen sie einen für ihren Teststoff unsensiblen Zelltyp, kann dies zum Scheitern des Versuchs führen – obwohl sich der Wirkstoff möglicherweise gegen einen anderen Krebstyp durchaus bewährt hätte.
„Wenn wir dieses Wissen im Vorhinein haben, kann das die Erfolgsrate bei der Suche nach neuen Krebsmitteln erhöhen“, sagt Levi Garraway, einer der beiden Studienleiter vom Dana-Farber Cancer Institute der Harvard Medical School in Boston. So könnte man in klinischen Studien die Krebszellen von Patienten analysieren und dann in der Enzyklopädie nachschauen, ob sie für ein Arzneimittel empfänglich seien. Man könnte dadurch auch verhindern, dass ein Krebspatient eine Chemotherapie erhält, die gegen seinen spezifischen Krebstyp ohnehin nicht hilft.
Enzyklopädie muss weiter ergänzt werden
Die nächste Herausforderung sei es nun, die Informationen in der Enzyklopädie weiter zu ergänzen, sagen die Forscher. Noch habe man erst für rund die Hälfte der 947 erfassten Zelllinien Daten zur Wirkstoffsensibilität. „Bisher haben wir erst die Spitze des Eisbergs erfasst“, sagt Garraway. Die zeitgleich ebenfalls in „Nature“ erschienenen Ergebnisse einer zweiten Forschergruppe könnten dazu beitragen, dies zu ändern. Die Wissenschaftler hatten mit einem anderen Verfahren die Sensibilität von rund 600 Krebszelllinien gegenüber 130 Wirkstoffen geprüft. Auch sie stießen dabei auf Biomarker, die bei der Suche nach wirksamen Krebsmitteln helfen könnten. (Nature, 2012; doi:10.1038/nature11003)
(Nature, 29.03.2012 – NPO)