Genetik

Gorilla-Genom entschlüsselt

Erstmals kann das Erbgut aller vier großen Primatenarten verglichen werden

Gorilla © IMSI MasterClips

Forscher haben das vollständige Genom des Gorillas entschlüsselt. Damit ist nun erstmals das Erbgut aller vier großen Primatenarten – Mensch, Gorilla, Schimpanse und Orang-Utan – bekannt und kann verglichen werden. Das Genmaterial für die Entschlüsselung lieferte Kamilah, ein zu den Westlichen Flachlandgorillas gehörendes Weibchen. Mit Hilfe ihres Genoms konnte das internationale Forscherteam erstmals Eigenheiten, aber auch Gemeinsamkeiten der Gorillas mit den anderen Menschenaffen und dem Menschen erforschen.

„Gorillas sind nach den Schimpansen unsere nächsten lebenden Verwandten und daher besonders wichtig, um Ursprung und Evolution des Menschen zu erforschen“, betonen die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.

15 Prozent des Gorilla-Genoms sind menschenähnlich

Die Entschlüsselung bestätigte, dass nicht der Gorilla, sondern der Schimpanse der nächste Verwandte des Menschen ist. Das Erbgut enthüllte aber auch Unerwartetes: 15 Prozent des menschlichen Genoms sind dem des Gorillas ähnlicher als dem des näher verwandten Schimpansen. Umgekehrt teilen Schimpansen 15 Prozent ihrer Gene nur mit dem Gorilla – obwohl sie mit diesem weiter entfernt verwandt sind als mit dem Menschen.

„Wir haben festgestellt, dass die Gorillas viele parallele genetische Veränderungen mit dem Menschen teilen, darunter die Entwicklung unseres Gehörs“, sagt Chris Tyler-Smith, einer der Autoren vom Wellcome Trust Sanger Institute im britischen Hinxton. Dieser Fund entkräfte vorherige Annahmen, nach denen sich das menschliche Gehör erst durch die Sprache schnell weiterentwickelte. „Unsere Ergebnisse wecken daran Zweifel, denn die Hörgene haben sich beim Gorilla ähnlich schnell entwickelt“, sagt Tyler-Smith.

Alle drei am engsten verwandten Arten – Mensch, Schimpanse und Gorilla teilen zudem rund 500 Gene, die sich besonders schnell im Laufe der Evolution verändert haben. „Diese Gene sind mit Funktionen wie der Sinneswahrnehmung, dem Gehör und der Gehirnentwicklung verknüpft“, berichten die Forscher. Das bestätige die wichtige Rolle, die Anpassungen in diesen Bereichen für die Entwicklung der Menschenaffen und Menschen gespielt hätten.

Abspaltung vor zehn Millionen Jahren

Aus dem Genvergleich konnten die Forscher ablesen, dass sich die Gorillas vor rund zehn Millionen Jahren von den gemeinsamen Vorfahren der Schimpansen und Menschen abtrennten. Die Stammeslinien von Mensch und Schimpanse teilten sich dann vor rund sechs Millionen Jahren. „Nach Jahren der Debatte stimmen unsere genetischen Interpretationen nun mit dem Fossilfunden überein“, sagt Mitautor Richard Durbin, ebenfalls vom Wellcome Trust Sanger Institute. Zuvor habe es zwischen beiden Abweichungen gegeben, die nun bereinigt werden konnten.

Die beiden heute noch lebenden Gorillaarten, der Westliche und Östliche, begannen sich vor etwa 1,75 Millionen Jahren aufzuspalten. Über Jahrtausende danach habe es aber noch Genaustausch zwischen beiden Arten gegeben, sagen die Forscher. Das zeigte der Vergleich des Genoms von Kamilah mit dem eines ebenfalls neu sequenzierten Östlichen Flachlandgorillas, Mukisi.

Geschichte von Bedrohungen und Aussterben

Die heute besonders bedrohten Östlichen Gorillas waren offenbar bereits vor tausenden von Jahren stärker dezimiert als ihre westlichen Verwandten, wie die genetischen Daten zeigten. Die menschliche Präsenz oder Ausbrüche des tödlichen Ebolavirus könnten dies allein nicht erklären, sagen die Forscher. Die gesamte Geschichte der großen Primaten sei von Aussterben und Bedrohungen geprägt.

„Die Erforschung der Menschenaffen verbindet uns mit einer Zeit, in der auch unsere Existenz bedroht war und unterstreicht damit, wie wichtig es ist, die letzten dieser bemerkenswerten Arten zu schützen und zu bewahren“, betonen die Forscher. (Nature, 2012; doi: 10.1038/nature10842)

(Nature / dapd, 08.03.2012 – NPO)

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