Auf Madagaskar haben Forscher die kleinsten Echsen der Welt entdeckt. Die vier neuen Arten von Zwergchamäleons sind weniger als 20 Millimeter groß, die kleinste Art misst vom Kopf bis zum Körperende nur 16 Millimeter. Sie ist klein genug, um auf einem Streichholzkopf stehen zu können. Die Art Brookesia micra gehöre damit zu den kleinsten Wirbeltieren weltweit. Die neuentdeckten Zwergchamäleons seien erstaunliche Fälle der extremen Miniaturisierung, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS ONE“. Nur die erst jüngst ebenfalls auf Madagaskar entdeckten Miniaturfrösche seien noch wenige Millimeter kleiner.
Die Gruppe von deutschen und US-amerikanischen Wissenschaftlern hatte die neuen Miniaturechsen bei Expeditionen im Norden Madagaskars entdeckt. Dort wächst sowohl Regenwald als auch trockener Laubwald auf einem sehr kleinteiligen, zerklüfteten Kalksteinuntergrund. Im Gegensatz zu ihren größeren Verwandten leben die dort entdeckten Zwergchamäleons am Boden in der Laubstreu. Durch ihre unauffällig bräunliche Färbung sind sie dabei gut getarnt.
„Nachts klettern sie dann auf niedrige Zweige und Pflanzenteile, um dort zu schlafen“, berichten Frank Glaw von der Zoologischen Staatsammlung München und seine Kollegen. Ihren kurzen Schwanz setzen die Mini-Zwergchamäleons nicht wie ihre baumlebenden Verwandten als Kletterhilfe ein, sondern nutzen ihn als fünftes Bein beim Laufen.
Extrem kleine Verbreitungsgebiete
Wie die Forscher berichten, ist das Verbreitungsgebiet der vier neuen Miniaturarten extrem klein. Jede dieser Arten habe man nur an jeweils einem einzigen Ort an der Nordspitze Madagaskars gefunden. „Diese engen Verbreitungsgebiete sind bei Tieren auf Madagaskar weit verbreitet, aber es gibt nur wenige Beispiele, die so extrem sind wie die miniaturisierten Brookesia-Arten“, schreiben Glaw und seine Kollegen.
Genetische Analysen enthüllten zudem, dass sich das Erbgut der vier Zwergchamäleonarten stark unterscheidet, es innerhalb der jeweiligen Arten aber sehr einheitlich ist. „Das ist am besten damit zu erklären, dass sich die lokalen Populationen dieser Arten kaum wegbewegten und dass sie genetisch dadurch isoliert waren“, meinen die Wissenschaftler. Sie gehen davon aus, dass sich die Abstammungslinien dieser Arten vermutlich schon vor 10 bis 20 Millionen Jahren trennten. Zusammen mit den neuentdeckten Arten kenne man nun bereits elf Formen von kleinen Brookesia-Chamäleons auf Madagaskar.
Leben auf der Insel könnte Miniaturisierung gefördert haben
Die kleinste Art, Brookesia micra, kommt nur auf der kleinen Insel Nosy Hara vor der Küste Nordmadagaskars vor. Nach Ansicht der Forscher könnte die sogenannte Inselverzwergung für ihre extreme Miniaturisierung verantwortlich sein. Dieses biologische Phänomen führt häufig dazu, dass Tierarten auf kleinen Inseln ohne Fressfeinde im Laufe der Evolution immer kleiner werden.
Madagaskar sei bereits für einige ungewöhnlich kleine Tiere bekannt, sagen die Forscher. So leben dort einige Arten von nachtaktiven Mauslemuren, die zu den kleinsten Primaten der Erde gehören. Auch die Frösche, die als die kleinsten bekannten Wirbeltiere gelten, seien auf Madagaskar gefunden worden. (PloS ONE; 2012; doi:10.1371/journal.pone.0031314)
(Public Library of Science, 16.02.2012 – NPO)