Der Klimawandel hat zu einer dramatischen Veränderung der Meeresalgen im Nordatlantik und der Nordsee geführt. In den letzten 50 Jahren sind die einst dominierenden Mikroalgen aus der Gruppe der Dinoflagellaten stark zurückgegangen, dafür haben sich Kieselalgen vermehrt. Ursache für diese deutliche Verschiebung des biologischen Gleichgewichts sei die Erwärmung des Meerwassers und die Zunahme von Wind über der Meeresoberfläche, berichten britische Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“.
„Stellen Sie sich vor, Sie blicken morgens in ihren Garten hinaus und das gesamte Gras ist plötzlich durch Büsche ersetzt – das erscheint weit hergeholt, aber biologische Veränderungen in dieser Größenordnung haben wir im Nordatlantik gefunden“, sagt Graeme Hays von der Swansea University, einer der Autoren der Studie. Am stärksten ausgeprägt seien diese Veränderungen in der Nordsee.
Die Forscher hatten Daten von Planktonproben ausgewertet, die seit 1960 regelmäßig an verschiedenen Stellen des Nordatlantiks einschließlich der Nordsee genommen wurden. Bereits seit 1960, aber verstärkt in den letzten Jahren, habe man dabei eine grundlegende Verschiebung in den Häufigkeiten von Dinoflagellaten und Kieselalgen im offenen Ozean gefunden, berichten die Wissenschaftler. Beide Algengruppen gehören zu den einzelligen Planktonorganismen, die an der Basis der Nahrungskette in den Ozeanen stehen.
Einfluss auf die Nahrungskette
„Noch kennen wir die ganze Bedeutung dieser Entdeckung nicht“, betont Hays. Aber der Wechsel von den Dinoflagellaten zu den Kieselalgen beeinflusse wahrscheinlich auch die nächsten Glieder in der Nahrungskette. Er habe damit auch Auswirkungen auf größere Tiere wie Fische und Wale.
In beiden Algengruppen gibt es Arten, die giftige Stoffe an das Wasser abgeben und schädliche Algenblüten bilden. Es werde aber auch in Zukunft insgesamt nicht mehr Algenblüten geben, betonen die Wissenschaftler. Ändern werde sich vielmehr, wann und wo solche Algenblüten auftreten. Seit 1999 mussten beispielsweise vor der Westküste Schottlands immer häufiger Fanggründe für Krebstiere gesperrt werden, weil sich dort eine giftige Kieselalge in den Sommermonaten stark vermehre. Sie profitiert dort von den steigenden Meerestemperaturen.
Wind über dem Meer verstärkt Temperaturwirkung
Als überraschend werten die Forscher in ihrer Studie, dass nicht nur die Erwärmung des Meerwassers für die biologischen Veränderungen verantwortlich ist, sondern auch die Windverhältnisse. Seit 1960 sei die Wassertemperatur im Nordostatlantik um ein Grad Celsius gestiegen, gleichzeitig aber habe sich auch die Windgeschwindigkeit über der Wasseroberfläche deutlich erhöht. Aus den Daten gehe hervor, dass beide Faktoren sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärkten, berichten die Forscher.
„Diese Zunahme des Windes wird oft übersehen“, sagt Hays. Im Meer führe der Wind zu mehr Turbulenzen und einer stärkeren Durchmischung des Oberflächenwassers. Das beeinflusse sowohl die Nährstoffverteilung als auch Verteilung des Planktons.
„Allgemein scheinen die windigeren Bedingungen den Kieselalgen einen Vorteil gegenüber den Dinoflagellaten zu verschaffen“, sagt Hays. Zehn der zwölf untersuchten Dinoflagellatenarten hätten mit zunehmender Wassertemperatur und steigenden Windgeschwindigkeiten abgenommen. (Nature Climate Change, 2012; doi:10.1038/nclimate1388)
(Swansea University / Nature.com, 13.02.2012 – NPO)