Lebewesen können unterschiedlich alt werden. Die Lebenserwartung wird dabei entscheidend durch ihre Gene bestimmt. Doch welche Gene sind das genau? Bei der Antwort auf diese Frage sind Forscher jetzt einen wichtigen Schritt weiter gekommen. Im Erbgut eines sehr kurzlebigen Fisches haben sie erstmals Bereiche ausfindig gemacht, in denen die Information für die Lebensdauer verschlüsselt ist.
Kreuzungsexperimente kurzlebiger und langlebigerer Stämme des in Afrika beheimateten Nothobranchius furzeri lieferten dazu wichtige Hinweise, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Aging Cell“.
Von Methusalems und Eintagsfliegen
Die Lebensspanne eines jeden Lebewesens wird durch genetische und umweltbedingte Faktoren beeinflusst und variiert von Art zu Art sehr stark. Galapagos-Riesenschildkröten können zum Beispiel mehr als 200 Jahre alt werden. Auch der Mensch ist mit einer Lebenserwartung von etwa 80 Jahren als langlebig anzusehen. Demgegenüber sind der Fadenwurm mit einem Durchschnittsalter von wenigen Wochen oder die Fruchtfliege mit circa 45 Tagen ausgesprochen kurzlebig.
Ebenfalls eine extrem geringe Lebensspanne zeigt der aus Ostafrika stammende Fisch Nothobranchius furzeri – Türkiser Prachtgrundkärpfling -, der als neuer Modellorganismus für die Erforschung des Alterns am Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena genutzt wird.
Perfekte Anpassung an den Lebensraum
Die Lebensdauer von N. furzeri ist perfekt an den afrikanischen Lebensraum angepasst und variiert je nach Dauer der Regenzeit zwischen drei und acht Monaten. Selbst unter optimalen Bedingungen im Laboraquarium, also bei ständiger Verfügbarkeit von Wasser und bester Fütterung, lebt der Fisch ähnlich kurz wie in Afrika. Die Information über die extrem kurze Lebensdauer muss also irgendwo im Genom gespeichert sein.
Auf der Suche nach Bereichen im Genom, die Informationen für die Lebenserwartung von Organismen tragen, sind die FLI-Wissenschaftler nun erstmals einen großen Schritt vorangekommen. Sie führten Kreuzungsexperimente mit dem Fisch durch und zeichneten die Lebensspanne der Nachkommen auf. In Zusammenarbeit mit Professor Andre Franke von der Universität Kiel bestimmten sie anschließend in deren Genom eine Vielzahl genetischer Marker – eindeutig identifizierbare, kurze DNA-Abschnitte, deren Ort im Genom bekannt ist.
Lebenserwartung genetisch festgelegt
„Bei unseren Kreuzungsexperimenten verpaarten wir kurzlebige mit langlebigeren Laborstämmen“, berichtet FLI-Wissenschaftlerin Jeanette Kirschner. „Die mittlere Lebensspanne der kurzlebigen Fische betrug elf Wochen und die der langlebigeren Fische etwa 30 Wochen“. Die Nachkommen wiesen im Vergleich zu den Eltern eine mittlere Lebensspanne von etwa 22 Wochen auf. „Für uns ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Lebenserwartung genetisch festgelegt ist und dabei nicht nur ein Gen eine Rolle spielt“, unterstreicht Matthias Platzer, ebenfalls vom FLI.
Im nächsten Schritt wurden die Nachkommen untereinander verpaart. Die umfassende Analyse der DNA des daraus resultierenden Nachwuchses ergab, dass bestimmte genetische Marker bei kurzlebigen Fischen häufiger als bei langlebigeren Fischen auftraten und umgekehrt. „Durch die systematische, genomweite Analyse dieser Marker konnten wir auf vier verschiedenen Chromosomen des N. furzeri Bereiche identifizieren, in denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit genetische Determinanten für die Lebenserwartung befinden“, sind sich die Forscher vom FLI sicher. „Der Fisch Nothobranchius furzeri ist – neben der Maus – damit das einzige Wirbeltier, in dem bisher durch Kreuzung die Identifizierung solcher Regionen, die für das Lebensalter entscheidend sind, gelungen ist.“
Zehn Faktoren für die Lebenserwartung wichtig
Die identifizierten Genombereiche sind allerdings recht groß. „Sie beinhalten hunderte Gene, so dass die Identifizierung der ursächlichen Faktoren nun eine neue große Herausforderung darstellt“, merkt Kathrin Reichwald, Projektleiterin am FLI, an. „Mit unseren Kreuzungsexperimenten konnten wir jedoch zeigen, dass etwa zehn Faktoren für die Lebenserwartung von N. furzeri eine Rolle spielen“, so Reichwald weiter.
Um diesen auf die Spur zu kommen, werden derzeit in den gefundenen Regionen alle Gene systematisch untersucht und auch Vergleiche mit nahe verwandten Fischarten durchgeführt. Damit konnte die Größe der bedeutsamen Bereiche bereits um etwa 40 Prozent reduziert werden.
Fisch-Genom wird sequenziert
„Außerdem arbeiten wir intensiv an der Sequenzierung des Genoms von N. furzeri; eine wesentliche Voraussetzung für die systematische Suche nach genetischen Determinanten für die Lebensspanne“, erklärt Platzer. „Denn der Genom-Vergleich von kurz- und langlebigeren Prachtgrundkärpflingen kann Aufschluss über kleinste Unterschiede in der DNA-Sequenz und ihrer Bedeutung für die Lebenserwartung und Alternsprozesse geben“.
Parallel dazu werden die Kreuzungsexperimente bereits mit anderen N. furzeri Eltern-Tieren wiederholt, um die aktuellen Befunde zu bestätigen und relevante genomische Bereiche weiter einzuengen. Gelingt es, die zugrundeliegenden Gene zu identifizieren, kann man durch deren gezielte Veränderung ihren Einfluss auf die Lebensspanne genauer untersuchen, so die Forscher.
Ergebnisse auf den Menschen übertragbar?
Da sowohl Fisch als auch Mensch zu den Wirbeltieren gehören, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass für die meisten in N. furzeri gefundenen Gene auch ein menschliches Pendant identifiziert werden kann. Ob diese Gene dann auch eine Rolle bei der Lebenserwartung des Menschen spielen und ob sie in Regionen menschlicher Chromosomen liegen, die bereits mit Langlebigkeit in Verbindung gebracht wurden, ist jedoch noch unklar. (Aging Cell, 2011; DOI: 10.1111/j.1474-9726.2011.00780.x.)
(Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI), 26.01.2012 – DLO)