Der Amazonas-Regenwald steht vor einem tiefgreifenden Umbruch: Ausgelöst durch den Klimawandel und den Einfluss des Menschenwandelt er sich allmählich von einer grünen Lunge in eine Treibhausgas-Schleuder. Bisher wirkt das gewaltige Waldgebiet als Senke im Klimasystem: Es nimmt mehr Kohlendioxid (CO2) aus der Luft auf als es abgibt. Forscher haben nun jedoch Anzeichen dafür gefunden, dass diese Speicherwirkung nachlässt. Der Amazonas-Regenwald wandele sich stattdessen zunehmend zu einem Gebiet, das CO2 an die Atmosphäre abgebe, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.
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„Menschen sind seit Tausenden von Jahren Teil des gewaltigen Fluss- und Wald-Systems im Amazonasbecken. Aber das Ausmaß, in dem sich Rodungen, Landwirtschaft und Siedlungsbau in den letzten Jahrzehnten ausgeweitet haben, ist beispiellos“, schreiben Eric Davidson vom Woods Hole Research Center im US-amerikanischen Falmouth und seine Kollegen. Um die Auswirkungen dieser Entwicklung auf das Amazonas-Ökosystem einschätzen zu können, hatten die Forscher Daten mehrerer Langzeitstudien und Simulationen ausgewertet.
Grenze der Widerstandsfähigkeit erreicht
Die Ergebnisse zeigen, dass die kombinierte Wirkung von Rodungen, Bränden und klimabedingten Trockenperioden die Widerstandsfähigkeit des Amazonas zu übersteigen drohen. Bisher sei der Regenwaldgegenüber einzelnen Störfaktoren wie saisonalen Dürren bemerkenswert resistent gewesen, sagen die Forscher. Selbst starke Trockenheit habe die Pflanzendecke kaum beeinträchtigt.
Doch das Zusammenwirken von Störfaktoren vor allem im Osten und Norden des Amazonas habe bereits zu Veränderungen der Vegetation und der Nährstoffkreisläufe geführt, berichten die Wissenschaftler. Dort sei das Amazonas auf bestem Wege, sich von einem intakten zu einem stark gestörten Ökosystem zu wandeln. Dies verringere auch die Fähigkeit des Regenwalds, CO2 in Form von Kohlenstoff zu speichern.
Wald speichert Äquivalent von zehn Jahren CO2-Emissionen
Der Amazonas-Regenwald speichert in seiner Pflanzenmasse rund 100 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von organischen Verbindungen. Das entspricht in etwa der Menge Kohlenstoff, die in zehn Jahren als CO2 durch menschliche Emissionen in die Atmosphäre gelangt.
Unter normalen Umständen gibt der Wald nur einen Bruchteil dieses Kohlenstoffs wieder ab, beispielsweise wenn Pflanzenmaterial zersetzt wird. Durch Rodungen, Brände oder auch vertrocknende Pflanzen bei einer Dürre werden jedoch weit größere Mengen von CO2 frei als zuvor. Gleichzeitig verlieren die schrumpfenden Waldflächen einen Teil ihrer Kapazität, CO2 aus der Luft aufzunehmen und zu speichern.
Pflanzliche Biomasse könnte um ein Viertel abnehmen
In einigen Gebieten im Norden und Osten des Amazonasbeckens hätten sich unter anderem durch den Rauch von Bränden, aber auch durch den Klimawandel bereits die regionalen und lokalen Niederschlagsmuster geändert, es gebe immer längere Trockenphasen, sagen die Forscher. Modellrechnungen zeigten, dass bereits drei Jahre verringerten Regenfalls ausreichten, um doppelt so viele Bäume absterben zu lassen. Die pflanzliche Biomasse würde dadurch um bis zu einem Viertel abnehmen. (Nature, 2012; doi:10.1038/nature10717)
(Nature / dapd, 20.01.2012 – NPO)