Medizin

ADHS: Armut und Diabetes der Mutter potenzieren Risiko

Vorgeburtliche und soziaökonomische Einflüsse fördern Auftreten der Aufmerksamkeitsstörung bei Kindern

Kinder haben ein 14-fach erhöhtes Risiko für die Aufmerksamkeitsstörung ADHS, wenn sie aus ärmeren Verhältnissen stammen und ihre Mutter unter einem Schwangerschaftsdiabetes litt. Das haben US-amerikanische Forscher in einer mehrjährigen Studie herausgefunden. Einzeln führe eine Schwangerschaftsdiabetes der Mutter oder das Aufwachsen in Familien mit geringem Einkommen nur zu einer Verdopplung des Risikos. Träfen sie jedoch zusammen, potenziere dies die Wahrscheinlichkeit, dass ein sechsjähriges Kind die für die Aufmerksamkeitsstörung typischen Defizite in der Entwicklung seiner geistigen Leistungen und seines Verhaltens zeige, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine“.

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Kinder, die an der Aufmerksamkeitsstörung ADHS leiden, sind meist hyperaktiv und haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts sind in Deutschland rund 3,9 Prozent der Schulkinder von dieser Störung betroffen. Nach bisheriger Kenntnis spielen neben einer genetischen Veranlagung auch vorgeburtliche Einflüsse sowie psychosoziale Faktoren eine Rolle für den Ausbruch der ADHS.

Kinder aus verschiedenen Verhältnissen untersucht

In der Studie hatten die Forscher 212 dreijährige Kinder aus Familien mit niedrigem und höherem Einkommen über drei Jahre hinweg in ihrer Entwicklung verfolgt. Von den Kindern kamen 115 aus ärmeren Verhältnissen, ein Teil ihrer Mütter erkrankte an einer durch die Schwangerschaft hervorgerufenen Diabetes. 97 Kinder aus Familien mit gutem Einkommen und gesunden Müttern dienten den Wissenschaftlern als Kontrollgruppe. Alle Kinder wurden im Alter drei, vier und sechs Jahren gründlich psychologisch und medizinisch untersucht und absolvierten Standardtests für ADHS.

„Unseres Wissens nach ist dies die erste Studie, die untersucht, wie sich die Kombination von niedrigem sozioökonomischen Status und die vorgeburtliche Erfahrung des Schwangerschaftsdiabetes auf die Entwicklung von ADHS auswirken“, sagt Erstautor Yoko Nomura vom Queens College in New York.

Deutliche Defizite bei Kindern mit ungünstigen Startbedingungen

Wie die Wissenschaftler berichten, zeigten die Kinder aus ärmeren Verhältnissen, deren Mutter während der Schwangerschaft Diabetes bekam, mit sechs Jahren deutliche Defizite: Sie hatten einen niedrigeren Intelligenzquotienten, ihre sprachlichen Fähigkeiten waren geringer und ihr Verhalten und ihre emotionalen Reaktionen wichen von denen sich normal entwickelnder Kinder ab. „Die Häufigkeit des Schwangerschaftsdiabetes hat in den letzten 20 Jahren zugenommen, vor allem unter ethnischen Minderheiten und bei Frauen mit niedrigem sozioökonomische Status“, schreiben die Forscher.

Chance für Vorbeugung und frühere Behandlung

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte das Wissen um diese Risikofaktoren dazu beitragen, schon früher als bisher vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um einen Ausbruch der Störung zu vermeiden. So könnte man durch entsprechende Ernährung einem Schwangerschaftsdiabetes entgegenwirken und besonders gefährdete Kinder schon früh intensiver betreuen. „Solche Umweltfaktoren bei ADHS sind von entscheidender Bedeutung, weil sie die Tür öffnen zu Möglichkeiten, die Fälle von ADHs zu verhindern, die durch frühe Störungen des kindlichen Nervensystems entstehen“, schreibt Joel Nigg von der Oregon Health and Science University in Portland in einem begleitenden Kommentar. (doi:10.1001/archpediatrics.2011.784)

(JAMA, 04.01.2012 – NPO)

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