An heißen Tiefsee-Quellen im Südpolarmeer haben Forscher eine ganze Lebenswelt bisher unbekannter Tierarten entdeckt. Die Krebse, Seesterne, Schnecken, Seeanemonen und Tiefsee-Oktopusse leben in der Nähe von hydrothermalen Schloten, an denen bis zu 383 Grad Celsius heißes Wasser ins antarktische Meer austritt. Das heiße, mineralienreiche Wasser versorgt die in völliger Dunkelheit lebenden Tiere mit Energie und Nährstoffen. Die neuentdeckte Schlot-Lebensgemeinschaft sei die erste in antarktischen Gewässern und unterscheide sich von allen, die man bisher an unterseeischen Quellen gefunden habe, berichten die Forscher im Fachmagazin „PloS Biology“.
„Das, was wir dort nicht fanden, war fast so überraschend, wie das, was wir gefunden haben“, sagt Erstautor Alex Rogers von der Oxford University in England. Viele Tiere, wie Röhrenwürmer, Muscheln und bestimmte Krebsarten, die man von anderen hydrothermalen Schloten im Pazifik, Atlantik oder Indischen Ozean kenne, habe es an den antarktischen Schloten nicht gegeben. Offenbar wirke das Südpolarmeer wie eine Barriere und hindere Tierarten aus wärmeren Meeresgebieten daran, einzuwandern.
„Die erste Untersuchung dieser Schlote hat eine heiße, dunkle und verlorene Welt enthüllt, in der ganze Lebensgemeinschaften bisher unentdeckter Meerestiere leben“, sagt Rogers. Entdeckt wurde dieses ungewöhnliche Ökosystem am East Scotia Ridge, einem unterseeischen Gebirgsgrat zwischen der Südspitze Südamerikas und der Antarktis. Die Forscher hatten die Lebenswelt der dortigen hydrothermalen Quellen seit 2009 in mehreren Expeditionen mit Hilfe von ferngesteuerten Tauchrobotern erkundet.
Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet der neue Fund darauf hin, dass die Ökosysteme an hydrothermalen Schloten viel vielseitiger und komplexer sind als bisher angenommen. „Überall, wo wir hinschauen, sei es an den sonnendurchfluteten Korallenriffen der tropischen Meere oder an diesen ewig dunklen antarktischen Schloten, finden wir einzigartige Lebensgemeinschaften, die wir verstehen und schützen müssen“, meint Rogers.
Yeti-Krabben, Schneckenkolonien und Raub-Seesterne
Auf ihren Tauchgängen bis in fast 2.700 Meter Tiefe filmten die Kameras der Tauchroboter unter anderem ausgedehnte Kolonien einer neuen Art von Yeti-Krabben, einer weißlich gefärbten Krebsart, deren Beine von einem dichten Pelz überzogen sind. Ebenfalls in größeren Mengen fanden sie eine unbekannte Art von Meeresschnecken. Die bräunlichen Gehäuse dieser Schnecken bildeten dichte Matten von bis zu 1.000 Stück pro Quadratmeter, wie die Forscher berichten.
Außerdem entdeckten die Wissenschaftler eine unbekannte Seesternart mit sieben Armen, die gestielte Seepocken frisst. In 2.400 Metern Tiefe stießen sie zudem auf einen nie zuvor gesehenen weißlich gefärbten Tiefsee-Kraken.
Energie aus chemischen Verbindungen
Hydrothermale Schlote, auch als Schwarze Raucher bezeichnet, sind Orte am Meeresboden, an denen heiße, mnineralienreiche Flüssigkeit austritt. Sie liegen meist in der Nähe von Unterwasservulkanen oder entlang von Gebirgsrücken an einer Grenze zwischen zwei Krustenplatten der Erde. „Hydrothermale Schlote sind die Heimat von Tieren, die ihre Energie nicht aus dem Sonnenlicht gewinnen, sondern aus dem Abbau chemischer Verbindungen wie beispielsweise Schwefelwasserstoff“, erklärt Rogers. Die jetzt entdeckte Fauna an den Schloten des Südpolarmeeres belege, welch große Vielfalt es selbst bei diesen hochspezialisierten Lebensformen gebe. (doi:10.1371/journal.pbio.1001234)
(Oxford University, 04.01.2012 – NPO)