Ökologie

Todeszonen nehmen Hochseefischen die Luft

Sauerstoffabnahme im Atlantik begrenzt den Lebensraum von Marlin und Thunfisch

Ein Blauer Marlin bei einem Boot, von dem aus Wissenschaftler eine Messsonde an dem Hochseefisch angebracht haben. © Guy Harvey

Die durch den Klimawandel wachsenden „toten Zonen“ im Atlantik lassen den Lebensraum großer Hochseefische bedrohlich schrumpfen. Die Zonen mit wenig oder gar keinem Sauerstoff im Meerwasser verhindern, dass beispielsweise Thunfische und Marline abtauchen und sich so vor Fischfang schützen können. Möglicherweise sei dadurch der Bestand großer Raubfische auf hoher See bereits um 10 bis 15 Prozent zurückgegangen, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Nature Climate Change“.

Seit einigen Jahren wachsen in den tropischen Ozeanen Zonen mit sehr sauerstoffarmem Meerwasser. Dass dieser Sauerstoffrückgang aber bereits den Lebensraum großer Hochseefische wie Marline oder Thunfische deutlich eingeschränkt hat, haben die Wissenschaftler erst jetzt eindeutig nachgewiesen. Die Ergebnisse seien alarmierend, sagen die Forscher.

Lebensraum um 15 Prozent geschrumpft

Besonders betroffen ist nach Angaben der Forscher der Atlantische Blaue Marlin (Makaira nigricans). Dieser bis zu 3,75 große Hochseefisch gehört mit Spitzengeschwindigkeiten von 80 Kilometern pro Stunde zu den schnellsten Fischen im Atlantischen Ozean. Für derartige Höchstleistungen ist er jedoch auf eine großzügige Versorgung mit Sauerstoff angewiesen – die in den sauerstoffarmen Zonen zunehmend fehlt.

„Der Lebensraum des Blauen Marlins im tropischen Ostatlantik ist dadurch zwischen 1960 und 2010 um 15 Prozent geschrumpft“, sagt Erstautor Lothar Stramma vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR).

Fanquoten anpassen

Das Ausmaß des Lebensraumverlustes für Marline und andere große Hochseefische könne tiefgreifenden Einfluss auf das Ökosystem des offenen Ozeans, aber auch auf die Hochseefischerei nehmen, warnen die Forscher. Blieben die Fangraten in Gebieten unverändert, in denen der Lebensraum der Fische durch die Todeszonen geschrumpft sei, gefährde dies die Bestände. Die neue Entwicklung müsse daher zukünftig in den Fanquoten berücksichtigt werden.

„Gerade die aktuelle Studie zeigt, dass die Veränderungen des verfügbaren gelösten Sauerstoff im Ozean sehr konkrete Auswirkungen auf die Lebenswelt und letztendlich auf den Menschen haben kann“, betont Meeresforscher Stramma.

Eric Prince (links), einer der Autoren der Studie, bringt eine Messsonde an einem Blauen Marlin an. © NOAA fisheries

Lebensräume per Modell und Sender ermittelt

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler zunächst die Ausbreitung der sauerstoffarmen Zonen im tropischen Atlantik durch Messungen und Modellrechnungen ermittelt. Diese Ergebnisse verglichen sie mit der Sauerstoffkonzentration, die Hochseefische zum Leben benötigen. „Daraus konnten wir berechnen, wie groß deren Lebensräume in Atlantik sind“, sagt Stramma.

Zusätzlich haben die Wissenschaftler insgesamt 47 Blaue Marline mit Messsonden versehen, um ihr Tauchverhalten zu beobachten. Die Daten dieser Messungen bestätigten die Berechnungen, wie die Forscher berichten. „Die Wassertiefe, in die die Marline vordringen, wird immer kleiner, weil sich die Sauerstoffminimumzonen in Richtung Wasseroberfläche ausdehnen“, erklärt Stramma. Das wiederum führe zu einem Verlust des Lebensraums.

Sauerstoffarme Zonen breiten sich aus

In allen tropischen Ozeanen existieren unterhalb einer gut durchlüfteten Wasserschicht Zonen mit reduziertem Sauerstoffgehalt. Sie werden Sauerstoffminimumzonen genannt. Diese Zonen sind in den letzten Jahren durch den Klimawandel deutlich gewachsen.

Forscher gehen davon aus, dass der Sauerstoff in den Ozeanen durch den Kohlendioxid-Anstieg in der Atmosphäre und dem damit verbundenen Temperaturanstieg noch weiter abnehmen wird. Das liegt zum einen daran, dass wärmeres Wasser nicht so viel Sauerstoff aufnehmen kann. Zum anderen sinkt weniger sauerstoffreiches Wasser in den kalten Meeresregionen in die Tiefe ab. Dadurch werden die tiefen Schichten des Ozeans weniger belüftet. (Nature Climate Change, 2011; doi:10.1038/NCLIMATE1304)

(Nature Climate Change / IFM-GEOMAR / dapd, 06.12.2011 – NPO)

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