Neurobiologie

Säuglinge: Starkes Kopfwachstum enthüllt Autismus

Krankhafte Gehirnveränderungen beginnen bereits mit vier Monaten

Autismus © University of California in Davis / PNAS

Wenn der Schädelumfang von Jungen im Alter von vier bis sechs Monaten besonders stark wächst, kann dies ein Anzeichen für beginnenden Autismus sein. Das haben US-amerikanische Forscher festgestellt. Das abnormale Gehirnwachstum tritt aber nicht bei allen Formen des Autismus auf. Es sei nur bei Jungen zu beobachten, die erst im Alter von ein bis zwei Jahren die ersten autistischen Verhaltensänderungen zeigen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

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„Unsere Ergebnisse belegen eindeutig, dass das Gehirn der betroffenen Jungen sein Wachstum bereits anormal beschleunigt, lange bevor die ersten Symptome des Autismus auftreten“, schreiben Christine Wu Nordahl von der University of California in Davis und ihre Kollegen. Das deute darauf hin, dass bereits im Alter von vier Monaten die Weichen für den sogenannten regressiven Autismus im Gehirn gestellt würden.

Dass autistische Kinder häufiger ein leicht vergrößertes Gehirn haben als sich normal entwickelnde Kinder, war schon länger bekannt. Unklar blieb aber, ob alle Ausprägungen des Autismus gleichermaßen betroffen sind und wann diese krankhafte Entwicklung beginnt. Um diese Fragen zu klären, hatten die Forscher das Hirnwachstum bei 114 autistischen und 66 nicht-autistischen Kindern von der Geburt bis zum Alter von drei Jahren untersucht.

Deutliche Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen

Die bisher umfangreichste Studie zu diesem Thema ergab deutliche Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, aber auch zwischen Jungen mit früh oder spät einsetzendem Autismus. Jungen mit regressivem Autismus hatten mit drei Jahren ein rund sechs Prozent größeres Gehirn als normale Kinder gleichen Alters, wie die Forscher berichten. Bei Jungen, die schon von Geburt an autistische Verhaltenszüge zeigten, aber auch bei autistischen Mädchen, bleibe das Gehirn dagegen normal groß.

„Diese Ergebnisse zeigen, wie komplex und vielfältig der Autismus ist“, sagen die Wissenschaftler. Ganz offensichtlich gebe es mehrere, auch neurobiologisch verschiedene Formen dieser frühkindlichen Entwicklungsstörung. Diese Erkenntnis sei wichtig, damit man die möglichen Ursachen und Entstehungsmechanismen des Autismus besser erforschen könne.

Zusammenhang mit Impfung erneut widerlegt

Weil die ersten Symptome des regressiven Autismus oft auftreten kurz nachdem die Kinder gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft wurden, vermuteten viele Eltern, aber auch einige Forscher, hier einen Zusammenhang. Die Kombinationsimpfung stand daher einige Zeit lang in Verdacht, Autismus auszulösen. Diese Annahme wurde aber schon vor einigen Jahren entkräftet.

Nordahl und ihre Kollegen sehe in ihren Ergebnissen ebenfalls ein klares Argument gegen einen Zusammenhang von Impfung und Autismus. „Die Veränderungen des Gehirns beginnen bereits mit vier Monaten und damit lange vor der Impfung“, schreiben sie.

Austische Störungen betreffen mehr als ein Prozent aller Kinder

Nach Angaben der US-amerikanischen Centers für Disease Control (CDC) ist heute etwa eines von 110 Kindern von einer autistischen Entwicklungsstörung betroffen. Jungen erkranken dabei viermal häufiger als Mädchen. Einige dieser Kinder zeigen schon von Geburt an autistische Verhaltenszüge. Sie meiden den Blickkontakt und lassen sich nicht gerne festhalten oder streicheln.

In vielen Fällen aber treten erst mit ein bis zwei Jahren autistische Verhaltensweisen auf. Die von diesem regressiven Autismus betroffenen Kinder verlieren dann viele der zuvor gelernten sozialen und geistigen Fähigkeiten wieder und scheinen sich zurück zu entwickeln. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2011; doi:10.1073/pnas.110756010)

(Proceedings of the National Academy of Sciences / dapd, 29.11.2011 – NPO)

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