Paläontologie

Gefiederter Dinosaurier fraß Urvögel

Forscher finden Microraptor-Fossil mit Beuteresten im Bauch

Microraptor gui – künstlerische Darstellung © National Academy of Sciences, O'Connor et al.

Forscher haben einen wichtigen Hinweis auf die Nahrungsgewohnheiten gefiederter Dinosaurier entdeckt: Der rund 70 Zentimeter lange, zweibeinig laufende Microraptor gui jagte nicht nur bodenlebende Tiere, sondern erbeutete auch Vögel. Das belegt ein 120 Millionen Jahre altes Fossil des Dinosauriers, das die Wissenschaftler in der Jehol-Formation im Nordosten Chinas entdeckten. Die Bauchhöhle des Fossils enthält nahezu unverdaute Skelettteile eines urzeitlichen Vogels. „Dies ist der bisher erste und einzige Beleg für einen Dinosaurier, der einen Vogel gefressen hat“, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

Aus der Anordnung und dem Zustand der Vogelknochen im Bauch des Microraptor-Fossils schließen die Wissenschaftler, dass der Dinosaurier den Vogel nicht als Aas gefressen hat. „Er hat ihn lebend gefangen und nahezu ganz heruntergeschlungen“, schreiben sie. Auf ähnliche Weise fräßen auch die heutigen Greifvögel ihre Beute. Nach Schätzungen der Forscher wog der Urvogel nur rund 60 bis 70 Gramm, der Microraptor aber eineinhalb Kilogramm. Der sehr viel kleinere, aber bereits ausgewachsene Vogel sei daher eine geeignete Beute gewesen.

Wendiges Raubtier

Der Fund werfe aber auch ein ganz neues Licht auf die Flugkünste der gefiederten Dinosaurier, meinen die Forscher. Denn die Beute des Microraptors gehörte zu den Enantiornithes, einer kreidezeitlichen Vogelgruppe, die speziell an das Leben in Bäumen angepasst war. Um diesen baumlebenden Vogel zu fangen, müsse auch der Microraptor gut genug geflogen sein, um in den Baumkronen zu jagen.

„Der Fund deutet darauf hin, dass Microraptor in Bäumen jagte und dabei ein ziemlich wendiges Raubtier war“, sagen Studienleiter Xing Xu von der chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen. Bisher wurde vielfach angenommen, dass die gefiederten Dinosaurier ihre Flügel nur nutzten, um damit schneller am Boden herumlaufen und springen zu können.

Ein in Nordostchina entdecktes fossiles Skelett eines Microraptor gui mit Knochen eines frühen Vogels in seinem Bauch. © National Academy of Sciences, O'Connor et al.

Fossilien mit Nahrung im Bauch sind extrem selten

Bisher gibt es nur wenige Fossilien, die einen direkten Beleg für die Nahrungsgewohnheiten urzeitlicher Tiere liefern. Meist können Paläontologen daher nur aus Zahnspuren, versteinerten Kotresten oder bestimmten Körpermerkmalen der Tiere schließen, wovon sich ein ausgestorbenes Tier ernährte.

Der Fund eines Dinosauriers mit gut erkennbarer Beute im Bauch sei daher ein echter Glücksfall, meinen die Forscher. In diesem Falle bestehe wenig Zweifel daran, dass die Beute des Microraptor ein Vogel war. „Wir gehen aber nicht davon aus, dass Vögel die einzige Nahrung des gefiederten Dinosauriers waren“, sagen Xu und seine Kollegen. Microraptor sei wahrscheinlich ein opportunistischer Jäger gewesen, der verschiedenste kleinere Tiere, darunter auch kleine Säugetiere, jagte.

Entdeckt wurde der Microraptor in der Jehol-Formation, einer für ihre reichen Fossilfunde bekannten Gesteinsformation aus der frühen Kreidezeit. Dort seien neben diesem und anderen gefiederten Dinosauriern auch zahlreiche Relikte von verschiedenen Urvögeln und frühen Säugetieren gefunden worden, sagen die Forscher. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2011; doi:10.1073/pnas.1117727108)

(Proceedings of the National Academy of Sciences / dapd, 22.11.2011 – NPO)

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