Evolution

Tagaktivität machte unsere Vorfahren sozialer

Lose Gruppenverbände entstanden vor der stabilen Paarbeziehung

Makaken-Gruppe © Roy Fontaine

Eine Verschiebung ihres Tag-Nacht-Rhythmus machte unsere Vorfahren wahrscheinlich erst zu sozialen Wesen: Vor 52 Millionen Jahren begannen die Primaten, nicht mehr nachts nach Nahrung zu suchen, sondern am Tage aktiv zu sein. Gleichzeitig taten sich die bisherigen Einzelgänger erstmals zu Gruppen zusammen. Das berichtet ein britisch-neuseeländisches Forscherteam im Fachmagazin „Nature“.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich das soziale Zusammenleben mit diesem Wechsel von der nacht- zur tagaktiven Lebensweise entwickelte“, schreiben Quentin Atkinson von der University of Oxford und seine Kollegen.

Schutzsuche in der Masse

Die Gruppenbildung könnte eine Reaktion darauf gewesen sein, dass tagsüber mehr Angriffe durch Raubtiere drohten, sagen die Forscher. Bei Tageslicht waren die Primaten auch für ihre Feinde besser sichtbar als in der Nacht und boten daher ein leichteres Ziel. Unsere Vorfahren suchten daher vermutlich Schutz in der Masse. In den losen Verbänden aus zahlreichen Weibchen und Männchen seien die einzelnen Tiere für ihre Feinde weniger leicht zu fangen gewesen, meinen die Wissenschaftler.

Für ihre Studie hatten die Forscher das Sozialverhalten von 217 Primatenarten verglichen und daraus einen Stammbaum der Sozialstrukturen rekonstruiert. Dieser zeigt, wann sich welche Lebensformen in der Primatenevolution entwickelten. „Um die Evolution unserer nächsten Verwandten und die Entstehung der frühen Menschen zu verstehen, müssen wir verstehen, wie sich die Sozialsysteme der Primaten entwickelt haben“, sagen Atkinson und sein Kollegen.

Lose Gruppen gab es schon vor der festen Paarbeziehung

„Bisher ging man davon aus, dass sich das Zusammenleben unserer Vorfahren schrittweise vom Einzelgänger über Paare und Familiengruppen zu größeren, sozial komplexen Gruppen entwickelte“, schreiben die Forscher. Doch der jetzt rekonstruierte Stammbaum der Primaten-Sozialstrukturen spreche dagegen.

„Der fundamentale Wandel zum Sozialleben geschah mit dem Erscheinen der ersten größeren Gruppen“, sagen die Forscher. Ähnlich wie bei einigen Lemuren heute seien dies lose Verbände gewesen, deren Mitglieder im Laufe der Zeit häufig wechselten.

Engere und stabilere Formen des Zusammenlebens seien dagegen erst deutlich später entstanden. Erst vor rund 16 Millionen Jahren entwickelten einige Primatengruppen erstmals feste Paarbeziehungen. Andere bildeten Haremsgruppen, bei dem ein Männchen mit mehreren Weibchen zusammenlebt.

Mensch als Meister der sozialen Lebensformen

Die gesamte Vielfalt der sozialen Lebensformen finde sich jedoch nur beim Menschen, sagen die Forscher. Ob mit einem oder mehreren Partnern, ob in einer Kernfamilie oder in Großfamilien – nahezu alle Varianten seien in der menschlichen Kultur zu finden. Zusätzlich zu diesen privaten Sozialstrukturen sei jeder Mensch noch Teil übergeordneter sozialer Gruppen.

„Etwas vergleichbar Komplexes gibt es bei keinem anderen Primaten“, sagt Susanne Shultz, Erstautorin der Studie von der University of Oxford. Das bestätige Theorien, nach denen komplexere Sozialstrukturen erst mit der Entwicklung eines leistungsfähigeren Gehirns möglich wurden. (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10601)

(Nature / dapd, 10.11.2011 – NPO)

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