Die Galaxien im frühen Universum waren chemisch viel weiter entwickelt als bisher angenommen: Schon weniger als zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall enthielten sie große Mengen an schweren Elementen wie Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff. Das berichten Astronomen der Europäischen Südsternwarte (ESO) demnächst im Fachmagazin „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“. „Wir waren bisher davon ausgegangen, dass das Universum damals chemisch noch nicht derart weit entwickelt gewesen sein konnte“, sagt Erstautorin Sandra Savaglio vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. Jetzt habe man erstmals zwei alte Galaxien entdeckt, die in dieser Hinsicht erstaunlich modern seien.
Elemente, die schwerer sind als Wasserstoff oder Helium, entstehen im Universum erst durch die Kernfusion im Inneren von Sternen. Sie werden freigesetzt, wenn diese Sterne am Ende ihres Lebens in einer Supernova explodieren. Dadurch reichern sich schwere Elemente normalerweise erst nach und nach im Gas einer Galaxie an. In Galaxien aus der Frühzeit des Universums haben erst sehr wenige Sterne ihren Lebenszyklus beendet. Daher galten solche Sternenansammlungen bisher als arm an schweren Elementen.
Doch die neuen Beobachtungen hätten diese Annahme nun völlig widerlegt, sagen die Forscher. „Wir waren sehr überrascht, denn das kühle Gas dieser beiden Galaxien im frühen Universum hatte eine völlig unerwartete chemische Zusammensetzung“, sagt Savaglio. Die Galaxien hätten mehr schwere Elemente enthalten, als man je zuvor in einer Galaxie aus einer so frühen Phase der kosmischen Entwicklung gefunden habe.
Galaxienverschmelzung könnte frühe Sternbildung angeregt haben
Warum die beiden frühen Galaxien bereits so viele schwere Elemente enthielten, ist noch unklar. Nach Ansicht der Astronomen müssten sich in ihnen rasend schnell Sterne gebildet haben, um diese Anreicherung zu erklären. Möglicherweise habe eine Verschmelzung der beiden Galaxien ihre Sternbildung angeregt, mutmaßen die Forscher. In den Gaswolken, die dabei miteinander kollidieren, sollten erheblich mehr Sterne entstehen als in normalen Galaxien.
Lange hielt dieser Ausnahmezustand nach Meinung der Astronomen aber nicht an: Die rapide Entstehung von Sternen in solchen Galaxien könnte bereits früh in der Geschichte des Universums wieder abgeklungen sein.
Gammastrahlenausbruch zeigt Elementsignaturen
Der Einblick in die Chemie der frühen Galaxien gelang den Astronomen mit Hilfe eines sehr weit entfernten Gammastrahlenausbruchs. Diese hellen Lichtblitze gelten als die energiereichsten Explosionen des Universums. Der Gammastrahlenausbruch GRB 090323 wurde am 23. März 2009 entdeckt und in den darauffolgenden Tagen von den Astronomen mit Hilfe des Very Large Telescope der ESO in Chile und weiterer Teleskope beobachtet.
Das Licht dieser energiereichen Explosion durchquerte auf seinem Weg zur Erde zwei zwölf Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxien. Dadurch habe man die seltene Gelegenheit bekommen, mehr über diese Sternansammlungen zu erfahren, sagen die Forscher. Während das Licht des Gammastrahlenausbruchs die Galaxien durchquerte, wirkte das Gas in den Galaxien wie ein Filter. Die in ihm enthaltenen Elemente absorbierten ganz bestimmte Wellenlängen des Gammastrahlenlichts.
Mit Hilfe dieser Spuren im Licht des Gammastrahlenausbruchs konnten die Astronomen herausfinden, wie stark die Galaxien bereits mit schweren Elementen angereichert waren. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2011)
(Monthly Notices of the Royal Astronomical Society / dapd, 04.11.2011 – NPO)