Probiotischer Joghurt beeinflusst die Darmflora offenbar auf ganz andere Weise als bisher angenommen. Er fördert weder eine Ansiedelung gesunder Bakterien im Darm, noch verändert er nachhaltig die Zusammensetzung der dort ansässigen Mikrobengemeinschaft. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Science Translational Medicine“. Stattdessen habe sich das Verhalten der Darmmikroben bei der Einnahme von Probiotika gewandelt. Diese Wirkung hielt allerdings nur so lange an, wie auch der Joghurt täglich gegessen wurde, sagen die Wissenschaftler.
In ihrer Studie hatten die Forscher die Wirkung eines probiotischen Joghurts untersucht, der fünf verschiedene lebende Kulturen von Bakterien enthielt. Sie analysierten sowohl bei menschlichen Studienteilnehmern als auch bei Mäusen, wie sich die siebenwöchige tägliche Einnahme dieses Joghurts auf die Darmflora und deren Stoffwechselaktivität auswirkt.
Enzymproduktion der Darm-Bakterien verändert sich
Sowohl beim Menschen als auch bei den Mäusen habe man signifikante Veränderungen in der Aktivität der Darmflora beobachtet, berichten die Wissenschaftler. Die Mikrobengemeinschaft produzierte von einigen Enzymen mehr, von anderen weniger als normalerweise. „Diese Enzyme sind an zahlreichen Stoffwechselwegen beteiligt, die unter anderem für die Verarbeitung von Kohlenhydraten sorgen“, schreiben Nathan McNulty von der Washington University School of Medicine in St. Louis und seine Kollegen.
Diese Erkenntnis könnte neue Erklärungen dafür liefern, warum einige Probiotika gegen entzündliche Darmerkrankungen oder Durchfälle helfen, wie vorhergehende Studien belegten. Noch sei allerdings unklar, welche der beobachteten Veränderungen für welche Gesundheitswirkungen verantwortlich sein könnten, sagen die Forscher. Auch die Frage, wie die probiotischen Bakterienkulturen diese Effekte im Darm auslösen, müsse noch erforscht werden. Die Studie biete dafür aber einen guten Ausgangspunkt.
Eineiige Zwillinge als Versuchspersonen
Um die subtilen Wirkungen der Probtiotika aufzudecken, nutzten die Forscher eine Methoden-Kombination: Ihren ersten Versuchsteil führten sie mit Hilfe von sieben menschlichen Zwillingspaaren durch. Von diesen eineiigen Gewisterpaaren trank jeweils ein Zwilling das probiotische Präparat, der andere nicht.
Der Joghurt enthielt neben den typischen Milchsäurebakterien Bifidobacterium und Lactobacillus noch drei weitere probiotische Bakterienarten. Nach Angaben der Hersteller solcher Produkte sollen diese Mikrobenarten unter anderem eine gesunde Darmflora fördern und das Immunsystem widerstandsfähiger gegen Infektionen und Allergien machen. Die Analysen von Stuhlproben ergaben jedoch, dass zwei der Bakterienarten, Streptococcus thermophilus und Lactobacillus delbrueckii, schon die Darmpassage nicht überlebten. Die anderen Arten schafften es zwar lebend bis in den Darm, konnten sich dort aber nicht ansiedeln.
Menschliche Darmflora in Mäusen hiflt bei Identifizierung
Einen zweiten Versuchsteil führten die Wissenschaftler mit keimfrei aufgezogenen Mäusen durch, die mit 15 Stämmen menschlicher Darmbakterien geimpft wurden. Die Gene und Stoffwechselprodukte dieser Stämme waren zuvor genau bekannt und kartiert.
Durch diese Vorgehensweise konnten die Forscher Abweichungen vom normalen Stoffwechselschema erkennen und gezielt auch bei den menschlichen Probanden nach ähnlichen Mustern suchen. Tatsächlich sei es erst dadurch gelungen, die insgesamt 86 Veränderungen in der Enzymproduktion der menschlichen Darmflora zu identifizieren, sagen die Forscher. (Science Trnalsational Medicine, 2011; DOI: 10.1126/scitranslmed.3002701)
(AAAS /Science Translational Medicine, 27.10.2011 – NPO)