Die eigentlich nützlichen Bakterien auf unseren Schleimhäuten haben auch eine Schattenseite: Sie helfen krankmachenden Viren dabei, unbeschadet in unsere Zellen und Gewebe einzudringen. Die Mikroben produzieren eine Substanz, die es den Krankheitserregern erleichtert, die Immunabwehr zu umgehen. Das belegen gleich zwei Studien im Fachmagazin „Science“.
„Wir beginnen erst jetzt langsam zu verstehen, welche Rolle diese Mikrobenfauna für die Übertragung von Viren und die Entstehung von Krankheiten spielt“, sagen Melissa Kane von der University of Chicago und ihre Kollegen.
Mikrobenfauna wichtig für die Gesundheit
Vor allem die Mikrobenfauna des Darms galt bisher als wichtig für die Gesundheit. Sie verhindern unter anderem die Ausbreitung krankmachender Keime in Atemwegen und in den Verdauungsorganen. Doch in Bezug auf Viren habe man nun auch eine negative Seite dieser Mitbewohner entdeckt, sagen die Forscher.
So wurden krebserregende Viren nur dann von Mäusemüttern an ihren Nachwuchs weitergegeben, wenn in den Schleimhäuten der Mütter Bakterien vorhanden waren. „Mit Antibiotika behandelte Mäuse ohne Mikrobenfauna gaben die ansteckenden Viren dagegen nicht an ihre Jungen weiter“, sagt Kane.
Darmbakterien vervielfachen Infektiosität der Viren
In einer zweiten Studie beobachteten Forscher um Sharon Kuss von der University of Texas in Dallas ebenfalls einen direkten Einfluss der Bakterien: In Anwesenheit von Mikroben erhöhte sich die Infektiosität von Polioviren um das 500-Fache, berichten sie.
„Mäuse, die mit Antibiotika behandelt wurden, waren dagegen deutlich weniger sensibel gegenüber Polioviren“, sagen Erstautorin und ihre Kollegen. Auch vermehrten sich die Viren im Darm dieser Mäuse viel weniger stark.
Zuckermoleküle auf der Bakterienhülle als Virenhelfer
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Viren die Darmbakterien für ihre Vermehrung und Übertragung ausnutzen“, sagen die Forscher. Offenbar spielten bestimmte Mehrfachzucker auf der Zelloberfläche der Mikroben die entscheidende Rolle für diese helfende Wirkung. In Laborversuchen reichte bereits die Anwesenheit dieser sogenannten Lipopolysaccharide, um die Virenvermehrung und Infektion zu fördern.
Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf eine bisher unbekannte Rolle der Mikrobenfauna für Viruserkrankungen“, schreiben Kane und ihre Kollegen. Das eröffne auch neue Ansätze für die Vorbeugung von Virusinfektionen der Schleimhäute, für virusspezifische Impfungen und für Therapien. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1211057; DOI: 10.1126/science.1210718)
(Science / dapd, 14.10.2011 – NPO)