Ein internationales Forscherteam hat das Erbgut des Erregers des Schwarzen Todes vollständig entziffert. Dieser verheerenden Pestepidemie fiel zwischen 1347 und 1351 nach Christus rund die Hälfte aller Europäer zum Opfer. Es sei ihnen in ihrer Studie erstmals gelungen, das komplette Genom eines historischen Krankheitserregers zu rekonstruieren, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“. Dadurch könne man nun die genetischen Veränderungen des Keims und seine Gefährlichkeit in den letzten 660 Jahren zurückverfolgen.
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„Um zu verstehen, warum die mittelalterliche Pest so katastrophale Auswirkungen hatte, entschlüsselten wir das gesamte Erbgut des mittelalterlichen Pesterregers mit Hilfe neuester DNA-Sequenziermethoden“, sagt Johannes Krause von der Universität Tübingen, einer der Autoren. Erst vor kurzem hatten Forscher um Krause nachgewiesen, dass Bakterien der Art Yersinia pestis tatsächlich für den Schwarzen Tod im Mittelalter verantwortlich waren.
Die neuen genetischen Informationen hätten nun gezeigt, dass der mittelalterliche Peststamm der Vorläufer aller heute noch vorkommenden Pestbakterien sei, berichten die Forscher. Jeder heutige Pestausbruch auf der Erde gehe auf einen direkten Nachfahren der mittelalterlichen Pest zurück. Pesterreger existierten noch immer und töteten rund 2.000 Menschen jährlich. „Mit einem besseren Verständnis und direkten Blick in die Evolution dieses tödlichen Krankheitserregers betreten wir eine neue Ära der Erforschung von Infektionskrankheiten“, sagen die Wissenschaftler.
Pestopfer aus London liefern DNA
Für ihre Studie griffen die Wissenschaftler auf Überreste von Pestopfern zurück, die auf dem Londoner Pestfriedhof „East Smithfield“ bestattet wurden. Sie untersuchten Proben aus den Zähnen von fünf Skeletten neu, die bereits früher positiv auf Yersinia pestis getestet worden waren.
Um das Genom des Pesterregers zu entschlüsseln, sei die Bakterien-DNA mithilfe einer neuen Methode angereichert und von Spuren anderer DNA befreit worden. Der Blick ins Erbgut des Pesterregers zeige nun, dass es darin in den letzten 660 Jahren relativ wenige Veränderungen gegeben habe, konstatieren die Forscher. Ob diese geringen Unterschiede für die größere Aggressivität der historischen Pest im Vergleich zu modernen Pesterregern verantwortlich seien, wäre jedoch noch unklar. „Im nächsten Schritt wollen wir herausfinden, warum die mittelalterliche Pest so tödlich war“, schreiben die Wissenschaftler.
Ursprung der Pest lag im 13. oder 14. Jahrhundert
In ihrer Studie sei es ihnen gelungen, das maximale Alter des gemeinsamen Vorfahren aller Pesterreger seit dem Schwarzen Tod zu bestimmen. Der Ursprung der Pest läge im 13. oder 14. Jahrhundert in Ostasien, mutmaßen die Forscher. Frühere Pestausbrüche wie die sogenannte Justinianische Pest im 6. Jahrhundert seien wahrscheinlich von einem anderen, bisher nicht identifiziertem Erreger verursacht wurden.
„Gleichzeitig zeigen uns die Ergebnisse zur mittelalterlichen Pest, welch katastrophale Auswirkungen ein Pathogen haben kann, wenn es erstmalig beim Menschen in Erscheinung tritt“, sagt Krause. (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10549)
(Universität Tübingen / dapd, 13.10.2011 – DLO)