Biologie

Geschlechtshormone im Mutterleib beeinflussen Fingerlänge

Forscher klären Mechanismus hinter den geschlechtsspezifischen Unterschieden

Forscher haben 19 Gene identifiziert, die Körper und Gehirn eines ungeborenen Kindes sensibel für männliche und weibliche Geschlechtshormone machen. Diese Gene seien es auch, die für das bei Männern und Frauen unterschiedliche Längenverhältnis von Zeige- und Ringfinger verantwortlich sind, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Schon seit längerem vermutet man, dass das Hormongleichgewicht im Mutterleib die Länge vor allem des Ringfingers beeinflusst, bisher gab es dafür jedoch nur statistische Hinweise. Jetzt habe man erstmals den zugrundeliegenden Wirkungsmechanismus geklärt, sagen Zhengui Zheng und Martin Cohn von der University of Florida.

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Wie die Forscher in Versuchen an Mäusen herausfanden, spielen Hormon-Andockstellen an den Fingerknospen des Embryos eine entscheidende Rolle für die spätere Länge des Ringfingers. Erhielten diese Rezeptoren in einer bestimmten Phase der Embryonalentwicklung zu wenig weibliche Geschlechtshormone, beeinflusste dies mehrere Gene in den Zellen, sagen die Forscher. Als Folge wuchs der Ringfinger stärker. Fehlte dagegen männliches Geschlechtshormon, war das Wachstum des vierten Fingers gehemmt.

Einige der Gene, die in den Fingerknospen sensibel auf Hormonveränderungen reagierten, seien auch an der Gehirnentwicklung und anderen geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Strukturen beteiligt. „Wir liefern damit den experimentellen Beweis, dass diese Einflüsse sich tatsächlich wie eine lebenslange Signatur am Verhältnis der Fingerlängen widerspiegeln“, sagen Zheng und Cohn. Die neuen Erkenntnisse hätten vor allem deshalb große Bedeutung, weil dieser vorgeburtliche Hormoneinfluss auch das spätere Verhalten, die sexuelle Orientierung und sogar Fähigkeiten wie beispielsweise die sportliche Leistung beeinflussen könne.

Mäusezehen als Modell

Für ihre Studie hatten die Forscher die Fingerentwicklung bei Mäuseembryonen eines Stammes beobachtet, der ähnlich wie der Mensch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Länge des Ringfingers aufweist. Dabei habe man festgestellt, dass die Fingerknospe des Ringfingers besonders viele Andockstellen für das weibliche Geschlechtshormon Östrogen und für die männlichen Androgene trage, berichten die Wissenschaftler

Um zu testen, wie sich das Fehlen dieser Hormone auf die Entwicklung der Zehen auswirkt, blockierten die Forscher jeweils eine Sorte dieser Rezeptoren. Je nachdem, welches Hormon damit ausgeschaltet wurde, reagierte der Ringfinger mit verstärktem oder gehemmtem Wachstum. Einen ähnlichen Effekt habe man auch beobachtet, wenn man ohne Rezeptorblockade die Balance beider Hormone verändert habe. Anschließend identifizierten die Forscher, welche Gene dabei durch den Hormoneinfluss jeweils an- oder abgeschaltet wurden.

Die Forscher ermittelten auch, zu welcher Zeit die Zehen der Mäuseembryonen besonders sensibel auf die Anwesenheit der Geschlechtshormone reagierten. „Es ist interessant, dass die Phasen, in denen das Wachstum der Fingerglieder hormonell beeinflusst werden kann, auch die Phasen sind, in denen die Geschlechtshormone das Gehirn männlich oder weiblich prägen“, schreiben die Wissenschaftler.

Ringfinger bei Männern meist länger als Zeigefinger

Schon seit langem ist bekannt, dass bei Männern der Ringfinger oft etwas länger ist als der Zeigefinger. Bei Frauen ist es dagegen meist umgekehrt oder beide Finger sind gleich lang. Es gibt jedoch auch Ausnahmen von dieser Regel.

Bereits in den letzten Jahren beobachteten Forscher, dass viele weibliche Leistungssportlerinnen ein eher männliches Fingerlängen-Verhältnis aufweisen. Ihr Ringfinger ist länger als sonst bei Frauen üblich. „1998 machte man die Beobachtung, dass Männer mit einem niedrigeren Zeigefinger zu Ringfinger-Verhältnis im Blutserum mehr Testosteron und weniger Östrogen besaßen“, schreiben die Forscher. Jetzt habe man belegt, dass die hormonelle Prägung tatsächlich bereits im Mutterleib stattfinde. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2011; doi:10.1073/pnas.1108312108)

(Proceedings of the National Academy of Sciences / University of Florida / dapd, 06.09.2011 – NPO)

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