Der Frühmensch Homo erectus stellte schon vor rund 1,8 Millionen Jahren fortgeschrittene Steinwerkzeuge her. Das belegen jetzt Faustkeile aus Stein, die Forscher bei einer Ausgrabung am Turkana-See in Ostafrika entdeckten. Die Datierung habe ergeben, dass diese Funde rund 300.000 Jahre älter seien als alle bisher bekannten Werkzeuge dieses Typs, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“. Zuvor in Äthiopien und Indien gefundene Faustkeile habe man auf maximal 1,4 bis 1,5 Millionen Jahre datiert.
Die in Kenia entdeckten Faustkeile gehören zur sogenannten Acheuléen-Kultur. Sie zeigen deutliche Spuren der Bearbeitung. Ihre Ränder sind durch mehrfaches Abschlagen von Gesteinsstücken geschärft und geglättet. Als Erfinder solcher Steinwerkzeuge gelte vielfach der Homo erectus, schreiben Christopher Lepre von der Columbia University in New York und seine Kollegen. Homo erectus sei wahrscheinlich auch der erste Frühmensch, der Afrika verlassen und andere Erdteile besiedelt habe. Das hohe Alter der Faustkeile werfe jedoch einige Fragen auf.
Warum nahmen die ersten Auswanderer die Technologie nicht mit?
„Wenn die ersten aus Afrika auswandernden Menschen bereits die Acheuléen-Technik beherrschten, dann muss man erwarten, dass Belege für diese Kultur auch in anderen Teilen der Alten Welt verbreitet sind“, konstatieren die Forscher. Als älteste Spuren des Homo erectus in Eurasien gelten 1,8 Millionen Jahre alte Knochen aus Dmanissi in Georgien. Dort fand man jedoch nur weitaus primitivere Steinwerkzeuge. Offenbar habe der in Georgien gefundene Homo erectus die Acheuléen-Kultur nicht aus Afrika mitgebracht. „Die ersten eurasischen Frühmenschen könnten von einer afrikanischen Population abstammen, die diese Technologie noch nicht besaß“, mutmaßen die Forscher. Die Acheuléen-Technologie müsse dann in einer zweiten, späteren Auswanderungswelle aus Afrika nach Eurasien gelangt sein.
Faustkeile mit deutlichen Bearbeitungsspuren
Die jetzt datierten Acheuléen-Faustkeile stammen aus der Kokiselei-Ausgrabungsstätte westlich des Turkana-Sees. Sie waren bereits 2007 zusammen mit Steinwerkzeugen primitiverer Machart entdeckt worden. Die Datierung belege, dass beide Arten von Steinwerkzeugen aus der gleichen Zeit stammten. Nach Ansicht der Forscher könnte dies bedeuten, dass der Homo erectus damals zeitgleich mit dem primitiveren Homo habilis in dieser Region lebte.
Die Region um den Turkana-See im Ostafrikanischen Graben gilt als eine der „Wiegen der Menschheit“. Dort hatte der Paläoanthropologe Richard Leakey bereits 1984 das Skelett eines halbwüchsigen, 1,5 Millionen Jahre alten Homo erectus entdeckt, den „Turkana Boy“. Vor kurzem entdeckten Forscher dort einen weiteren, 1,7 Millionen Jahre alten Homo erectus-Schädel. Belege für Acheuléen-Faustkeile aus dieser frühen Ära existierten zuvor jedoch nicht.
Datierung der Faustkeile über Magnetrichtung des Gesteins
Für die Datierung untersuchten die Forscher Proben von Gesteinsschichten der Kokiselei-Ausgrabungsstätte auf ihre magnetische Polung hin. Im Laufe der Erdgeschichte hat sich die Polung des Erdmagnetfelds mehrfach umgekehrt. Gesteine, die zu diesen Zeiten entstanden sind, konservieren diese Ausrichtung in einigen ihrer Mineralbestandteile. Die charakteristische Abfolge verschiedener Polungen im Untergrund kann daher zur Datierung genutzt werden.
Die Faustkeile fanden sich in einer Gesteinsschicht, die die Forscher nun anhand der Polung auf ein Alter von 1,76 Millionen Jahre datierten. „Wir haben schon vermutet, dass Kokiselei eine ziemlich alte Fundstätte ist“, sagt Lepre. Aber er sei dennoch überrascht gewesen, als die geologischen Daten ein so hohes Alter ergaben. „Sie deuten darauf hin, dass es die älteste Acheuléen-Fundstätte der Welt ist.“ (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10372)
(Nature / Columbia University, 01.09.2011 – NPO)