In den nördlichen Tiefebenen des Mars könnte es einst ein ausgedehntes Polarmeer gegeben haben. Zu diesem Schluss kommt jetzt ein internationales Forscherteam auf Basis klimatischer und geochemischer Modellierungen. Bisher galt die Existenz ausgedehnter Meere auf dem Planeten als unwahrscheinlich, weil das Gestein der Tiefebenen kaum Tonminerale enthält. Diese Ablagerungen gelten jedoch als typische Anzeiger für das Vorhandensein größerer Gewässer. Wie die Wissenschaftler nun im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten, könnte ein Ozean trotzdem existiert haben, wenn er sehr kalt und von Gletschern umsäumt war.
Die heutige Marslandschaft ist nahezu zweigeteilt: Im Süden prägen gewaltige Vulkanberge und eine ausgedehnte Hochebene das Bild. Der Norden ist dagegen flach und liegt deutlich tiefer als der Rest des Planeten. Schon häufiger vermuteten Forscher daher, es habe dort einst einen Ozean gegeben – zu einer Zeit vor rund drei Milliarden Jahren, als der Mars noch wärmer war als heute. Doch die über Daten von Raumsonden ermittelte Verteilung bestimmter Tonminerale, sogenannter Schichtsilikate, sprach dagegen.
„In den Hochebenen kommen diese Schichtsilikate an bis zu zehntausend Stellen vor, meist in Tälern, Kratern und Senken“, schreiben die Forscher um Alberto Fairén vom NASA Ames Research Center im kalifornischen Moffet Field. In der Kruste der nördlichen Tiefebenen habe man sie aber nur in neun Einschlagskratern entdeckt. Die Ursache für diesen Unterschied hätte sich bisher nicht klären lassen.
Für ihre Studie entwickelten die Forscher zunächst ein Modell des Klimas, wie es auf dem urzeitlichen Mars mit einem südlichen Superkontinent und einem Nordmeer geherrscht haben könnte. Die Simulation ergab, dass damals am Äquator zwar Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt erreicht wurden. Im hohen Norden hätten die Temperaturen aber eher unter null Grad Celsius gelegen, schreiben die Wissenschaftler.
Urozean: Kalt aber ohne geschlossene Eisdecke
„Unsere Modelle zeigen, dass die Temperaturen in einem Ozean nördlich des 30. Breitenkreises nahe dem Gefrierpunkt gelegen haben müssen“, sagen die Wissenschaftler. Unter diesen Bedingungen könnte die Wasseroberfläche zumindest in Teilen eisfrei gewesen sein. Dieses habe den freien Austausch von Gasen zwischen Wasser und Atmosphäre ermöglicht. Die Chemie des Wasser sei dadurch so verändert worden, dass sie die Bildung von Tonmineralen hemmte, sagen die Wissenschaftler.
Ausgehend von diesen Ergebnissen modellierten die Forscher die Entstehung geochemischer Ablagerungen in einem fiktiven Nordmeer – einmal mit, einmal ohne geschlossene Eisdecke. Das Ergebnis: Ein komplett mit Eis bedeckter Ozean sei geradezu optimal für die Bildung von Schichtsilikaten, sagen die Forscher. In einem kalten Ozean mit nur wenig Eisbedeckung entstünden dagegen vorwiegend andere Ablagerungen, aber keine Tonminerale.
Gletscher verhindern Einstrom von Sedimenten
Und noch ein Faktor könnte erklären, warum der urzeitliche Polarozean keine mineralischen Spuren hinterließ: „Gletscher, die diesen kalten, nördlichen Ozean umgaben, könnten verhindert haben, dass tonreiches Material von den Hoch- in die Tiefebenen eingeschwemmt wurde“, sagen Fairén und seine Kollegen. Eine ähnliche Barrierewirkung könne man auch auf der Erde in den Fjorden Grönlands oder Nordkanadas beobachten. Tatsächlich gebe es in vielen Teilen der nördlichen Tiefebenen des Mars geologische Strukturen, die den Spuren irdischer Küstengletscher ähnelten, schreiben die Forscher.
Ein urzeitlicher Polarozean kann daher nach Angaben der Forscher durchaus existiert haben. Er sei wahrscheinlich kalt, aber vorwiegend eisfrei gewesen. Ein solches Meer sei eine gute Erklärung für die geochemischen Unterschiede in der marsianischen Landschaft, schreiben die Wissenschaftler. (Nature Geoscience, 2011; DOI: 10.1038/ngeo1243)
(Nature, 29.08.2011 – NPO)