Biologie

Reflektor-Blatt lockt Fledermäuse an

Umgeformtes Blatt einer Dschungel-Pflanze erzeugt auffallende Echo-Signale

Blütenstand der tropischen Pflanze Marcgravia evenia mit darüber hängendem Schüsselblatt und (einmontiert) nektarfressende Fledermaus Monophyllus remani. © Ralph Mangelsdorff, Ralph Simon

Die tropische Pflanze Marcgravia evenia braucht keine leuchtenden Blüten um ihre Bestäuber anzulocken. Sie nutzt stattdessen einfach ein zur Reflektor-Schüssel umfunktioniertes, senkrecht stehendes Blatt. Denn ihre Bestäuber sind per Echoortung navigierende Fledermäuse, die von den starken Schallechos des „Schüsselblatts“ angezogen werden. Diese ungewöhnliche Anpassung einer Pflanze an die Lebensweise ihrer Bestäubertiere hat jetzt ein deutsch-britisches Forscherteam entdeckt.

„Diese Echo-Bake hat Vorteile sowohl für die Pflanze als auch für die Fledermaus“, sagt Marc Holderied von der University of Bristol. Die Schallschüssel werfe starke, eindeutig wiederzuerkennende Signale zurück und mache so die Nahrungssuche der nektarsaugenden Fledermäuse effektiver. Da diese pro Nacht hunderte von Blüten besuchen müssen, um ihren Nektarhunger zu stillen, sei das für die Tiere besonders wichtig. Andererseits sichert das Echo-optimierte Blatt der Pflanze die Bestäubung. Da diese nur sehr vereinzelt im Regenwald vorkommt, ist sie dafür auf mobile Tiere angewiesen.

„Die ungewöhnliche Form und Orientierung des Blattes reduziert seine Photosyntheseleistung verglichen mit einem ähnlich großen normalen Blatt. Aber wir glauben, dass diese Kosten durch die Vorteile einer effektiveren Anziehung von Bestäubern aufgewogen werden“, berichten die Forscher in Fachmagazin „Science“. Experimente mit Nachbauten der pflanzlichen Schallschüssel zeigten, dass die Fledermäuse diese zweimal so schnell aufspürten wie eine Futterstelle ohne einen solchen Reflektor.

Das Schüsselblatt über dem Blütenstand von Marcgravia evenia wirft die Schallsignale der nektarfressenden Fledermaus Monophyllus remani zurück. © Ralph Simon

Verschiedenste Lockmittel für bestäubende Tiere

Viele Pflanzen sind für ihre Bestäubung auf Tiere angewiesen: Zahlreiche Obstbäume tragen beispielsweise ohne Bienen, die den Pollen von Blüte zu Blüte bringen, keine Frucht. Eine auffallende Blütenfarbe oder ein besonders intensiver Duft dienen dabei als Lockmittel für diese Bestäuber.

Im Regenwald der Tropen spielen die nachtaktiven Fledermäuse eine wichtige Rolle als Pollenüberträger. Sie orientieren sich im Dickicht des Dschungels über Schallwellen, die sie aussenden und deren Echos ihnen Informationen über ihre Umwelt liefern. Wenig untersucht war bisher, ob Pflanzen spezielle Strukturen ausgebildet haben, die die echoortenden Fledermäuse anlocken.

Einen möglichen Kandidaten für eine solche Strategie hat jetzt das Forscherteam untersucht: die im Regenwald Kubas vorkommende Kletterpflanze Marcgravia evenia. Sie bildet über ihrem Blütenstand ein senkrecht hängendes, auffallend schüsselförmiges Blatt aus.

Das Schüsselblatt von Marcgravia evenia erzeugt ein eindeutiges, aus mehreren Richtungen ortbares Echomuster (unten links), das die Fledermaus Monophyllus remani anlockt. © Ralph Simon

Blätter-Beschallung aus unterschiedlichen Richtungen

Für ihre Untersuchung beschallten die Forscher sowohl Schüsselblätter als auch normale Blätter der Pflanze. Die Schallwellen kamen dabei aus unterschiedlichen Richtungen. Ein dem Fledermauskopf nachempfundener Empfänger zeichnete die reflektierten Schallwellen auf.

Die Analyse ergab deutliche Unterschiede in den akustischen Eigenschaften: Die Echomuster der normalen Blätter veränderten sich schon bei kleinsten Richtungsänderungen des eintreffenden Schalls. Das Schüsselblatt dagegen behielt ein starkes, in alle Richtungen gleich deutliches Echosignal.

„Spektrum, Amplitude und zeitlicher Verlauf blieben bei den Schüsselblättern unverändert. Das macht sie zu einer idealen Echo-Bake“, schreiben die Forscher. Sie vermuten, dass auch andere Pflanzenarten solche akustischen Lockmittel für Fledermäuse entwickelt haben könnten. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1204210)

(Science / University of Bristol / dapd, 29.07.2011 – NPO)

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