Ökologie

Exoten sind nicht immer harmlos

Offener Brief von 141 Wissenschaftlern zum Streit über die Gefahr durch gebietsfremde Arten

Auch nützliche Arten müssten manchmal gemanagt werden, wenn sie negative Folgen für Ökosysteme hätten wie beispielsweise invasive Baumarten, die den Wasserhaushalt in Südafrika aus dem Gleichgewicht bringen können. Dazu zählt zum Beispiel Eukalyptus aus Australien, dessen Holz verwendet wird. © Tilo Arnhold / UFZ

In einem offenen Brief im Wissenschaftsmagazin „Nature“ haben sich 141 Biologen dagegen gewendet, gebietsfremde Arten generell als ungefährlich abzutun. Sie reagierten damit auf einen Kommentar von 19 Forschern um den US-Biologen Mark A. Davis, die kürzlich ebenfalls in „Nature“ provokativ gefordert hatten, Tiere und Pflanzen nicht nach ihrer Herkunft zu bewerten. Dieser Kommentar hatte weltweit unter Ökologen eine heftige Debatte ausgelöst, wie mit gebietsfremden und invasiven Arten umzugehen sei.

Die Öffentlichkeit müsse wachsam sein und weiterhin die vielen erfolgreichen Management-Bemühungen unterstützen, schreiben nun die Biologen unter dem Titel „Gebietsfremde Arten: 141 Wissenschaftler protestieren“ in der aktuellen Nature-Ausgabe. Naturschutzbiologen und Ökologen seien nicht per se gegen nicht-heimische Arten, sondern nur dann, wenn diese Ökosysteme, Lebensräume oder Arten bedrohten und damit gegen die Konvention zur biologischen Vielfalt verstoßen würden. Auch von Kampagnen gegen alle neu eingeführte Arten könne keine Rede sein.

Manchmal müssen auch nützliche Arten gemanagt werden

Die begrenzten Ressourcen würden die Naturschutzmanager sowieso zwingen, sich auf wenige besonders problematische Arten zu konzentrieren. Außerdem würden die Invasionsbiologen und -manager den Nutzen, den bereits eingeführte Arten erbringen, nicht ignorieren. „Niemand will zum Beispiel den Weizen ausrotten“, so der Sprecher der Gruppe, Daniel Simberloff von der University of Tennessee. Trotzdem müssten selbst nützliche Arten manchmal gemanagt werden, wenn sie negative Folgen für Ökosysteme hätten die beispielsweise invasive Baumarten, die den Wasserhaushalt in Südafrika aus dem Gleichgewicht bringen können – zum Beispiel Eukalyptus, dessen Holz verwendet wird.

Zeitversetzte Invasionen

„Während es für bestimmte ökologische Fragestellungen richtig sein kann, gebietsfremde und heimische Arten nicht zu unterscheiden (zum Beispiel Welche Merkmale hat eine sich erfolgreich ausbreitende Art? Wie sind die Zusammenhänge zwischen Energieeffizienz und Größe?) und viele gebietsfremde Pflanzenarten derzeit unproblematisch sind, spielen Davis und Kollegen die schweren Auswirkungen der problematischen, nicht- heimischen Arten herunter, die möglicherweise erst Jahrzehnte nach ihrer Einführung auftreten können“, befürchten Ingolf Kühn und Marten Winter vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ.

Ein Beispiel für diese zeitversetzten Invasionen ist der brasilianische Pfefferbaum Schinus terebinthifolius, der sich in den Everglades von Florida stark ausgebreitet hat. In dem US-Bundestaat wird daher mit großem Aufwand versucht, diese Bereiche wieder davon zu befreien. Der Besitz oder die Pflanzung ist in Florida inzwischen strafbar. Arten, die nicht von selbst in Ökosysteme eingewandert, sondern vom Menschen eingebracht wurden, sollten daher sorgfältig beobachtet werden, schlussfolgern die Wissenschaftler in Nature. Im Großen und Ganzen befürworten die Wissenschaftler jedoch die offen geführte Diskussion, da nur durch ständigen Diskurs wissenschaftliche Konzepte und Ideen hinterfragt, modifiziert und neu entwickelt werden und so der wissenschaftliche Fortschritt vorangebracht werden kann.

EU-Projekt DAISIE

Zu den Unterzeichnern des offenen Briefes gehören viele Forscher, die im EU-Projekt DAISIE – Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe – in den vergangenen Jahren zum ersten Mal für die Länder Europas alle bekannten gebietsfremden Arten erfasst hatten. Über 11.000 nicht heimische Arten wurden dabei insgesamt in Europa identifiziert. Am Projekt waren Forschungseinrichtungen und Organisationen aus 15 Nationen beteiligt, darunter auch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). (Nature, 2011; doi:10.1038/474153a)

(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 11.07.2011 – dlo)

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