Das griechische Olympia, der Austragungsort der antiken Olympischen Spiele, wurde vermutlich durch mehrere, weit ins Land reichende Tsunamis zerstört und nicht, wie bisher angenommen, durch Erdbeben und Flusshochwasser. Das enthüllt eine Untersuchung der bis zu acht Meter dicken Sedimentschichten, unter der die antike Kultstätte heute liegt.
Das im Nordwesten der griechischen Halbinsel Peleponnes liegende Olympia war in der Antik ein Heiligtum des Zeus und der Austragungsort der olympischen Spiele. Die Relikte der einst zahlreichen Bauten der Kultstätte wurden erst vor rund 250 Jahren wiederentdeckt, 1874 begannen die ersten Ausgrabungen. Lange Zeit nahm man an, dass ein Erdbeben im Jahr 551 n.Chr. die Heiligtümer zerstörte und anschließend Überschwemmungen des Flusses Kladeos zur Verschüttung der antiken Bauwerke unter meterdicken Sedimentschichten führten. Rätselhaft blieb jedoch, wie das an Olympia vorbeiziehende kleine Flüsschen Kladeos zunächst mehrere Meter Sediment aufgeschüttet haben soll, um sich anschließend zehn bis zwölf Meter tief auf sein antikes Laufniveau einzuschneiden.
Katastrophale Überschwemmung
Ein Forscherteam unter Leitung von Andreas Vött vom Geographischen Institut der Johannes Gutenberg- Universität Mainz hat nun dieses Gebiet in Zusammenarbeit mit der örtlichen Altertümerverwaltung und Kollegen der Universitäten Aachen, Darmstadt, Freiburg, Hamburg und Köln erneut mit geomorphologischen und geoarchäologischen Methoden erforscht. Seine Ausgangshypothese: Möglicherweise könnte einer der Tsunamis, die während der letzten 11.000 Jahre an den Küsten des östlichen Mittelmeers stattgefunden haben, die antike Stätte verschüttet haben.
„Die Zusammensetzung und Mächtigkeit der Sedimente, die wir in Olympia gefunden haben, passen nicht zur Wasserführung und zum geomorphologischen Inventar des Kladeos. Der Bach kann das nicht verursacht haben“, sagte Vött. Die Ergebnisse der Studie deuten stattdessen darauf hin, dass Olympia in seiner Geschichte mehrfach von großen katastrophischen Fluten betroffen und in diesem Zusammenhang mit Sedimenten überdeckt wurde. Muschelklappen und Schneckengehäuse sowie Reste von Foraminiferen weisen eindeutig auf einen marinen Ursprung hin.
Tsunami drang weit ins Landesinnere ein
Die Sedimente wurden dabei offenbar mit hoher Geschwindigkeit und hoher Energie von der Küste an Land transportiert und erreichten Olympia trotz seiner Höhenlage auf rund 33 Meter über Meer– vermutlich über niedrige Sättel im unmittelbar vorgelagerten Höhenzug. „Olympia war in früheren Zeiten auch nicht 22 Kilometer vom Meer entfernt wie heute, sondern die Küste lag mindestens acht, vielleicht auch mehr Kilometer weiter landeinwärts“, führt Vött aus.
Sein Szenario: Tsunamis bauen sich vom Meer her auf, laufen in das enge Alpheios-Tal, in das auch der Kladeos-Bach mündet, mit großer Wucht ein und überfließen dann die Sättel im Hügelzug, hinter dem Olympia liegt. Die Kultstätte wird überflutet und die Wassermassen fließen nur langsam ab, weil gleichzeitig der Abfluss des Kladeos über das Alpheios-Tal durch die einlaufenden Tsunamis und deren Sedimente blockiert ist.
Mehrfache Überschwemmungen in den letzten Jahrtausenden
Wie die im Umfeld von Olympia erfassten Sedimentabfolgen nahelegen, hat sich ein solches Szenario während der letzten 7.000 Jahre mehrfach wiederholt. Bei einem der jüngeren Ereignisse im 6. Jahrhundert n.Chr. erfolgte dann die Zerstörung und Überdeckung Olympias. Für die Olympia-Tsunami-Hypothese spricht auch, dass sowohl auf der meerzugewandten Seite des Hügelzugs als auch in Olympia identische Hochenergiesedimente gefunden wurden. „Die Ablagerungen um Olympia haben dieselbe Signatur wie die Tsunamite im vorgelagerten Alpheios-Tal“, so Vött. Ein Erdbeben scheidet für ihn als Ursache aus. Denn dann müssten die umgestürzten Säulentrommeln des Zeus-Tempels direkt aufeinanderliegen, tatsächlich „schwimmen“ sie aber im Sediment.
Sämtliche sedimentologischen, geochemischen, geomorphologischen und geoarchäologischen Befunde unterstützen die neue, sensationelle Olympia- Tsunami-Hypothese. Detaillierte faunistische Analysen zur Artenzusammensetzung, zur Herkunft und zum Alter von Kleinstlebewesen sowie Altersbestimmungen der Sedimente werden derzeit durchgeführt, so dass auch diese Ergebnisse bald vorliegen werden.
Mittelmeer-Tsunamis keine Seltenheit
Tsunamis sind im östlichen Mittelmeer ausgesprochen häufig, was hauptsächlich an der hohen seismischen Aktivität entlang des Hellenischen Bogens liegt. Hier schiebt sich die afrikanische Platte unter die eurasische Platte und löst dadurch immer wieder starke Erdbeben mit darauffolgenden Tsunamis aus. Der letzte Riesentsunami im Mittelmeer verwüstete 1908 nach einem Beben in der Straße von Messina (Süditalien) die angrenzenden Küstenregionen, über 100.000 Menschen starben. In der südlichen Ägäis wurde 1956 eine 30 Meter hohe Welle verzeichnet. „Die Auswertung historischer Kataloge hat ergeben, dass sich in Westgriechenland im Durchschnitt alle acht bis elf Jahre ein Tsunami ereignet“, so Vött.
(Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 01.07.2011 – NPO)