Physik

Druck macht metallisches Glas zum Einkristall

Vermeintlich extrem amorphe Materialklasse entpuppt sich als doch geordnet

Metallisches Glas in unterschiedlicher Form © gemeinfrei

Glas – egal ob aus Quarzsand oder metallisch – ist per Definition amorph. Jetzt aber haben Forscher erstmals entdeckt, dass metallische Gläser sehr wohl eine zugrundeliegende Struktur besitzen. Wie sie in „Science“ berichten, bilden sie unter extremem Druck einen hochgradig geordneten Einkristall, der auf eine bereits vorher im Glas existierende Grundordnung der Atome hindeutet. Die neue Erkenntnis ermöglicht nicht nur die Entwicklung neuer Materialien, sie gibt auch wichtige Einblicke in diese für Diebstahlsicherungs-Etiketten und andere Alltagsgegenstände verwendete Materialgruppe.

Glas ist per Definition die amorphe, erstarrte Schmelze beispielsweise von Quarzsanden. Statt eines ordentlichen Kristallgitters bildet das Siliziumdioxid im Glas eher ein unregelmäßiges Verbindungsgewebe. Ähnliches gilt auch für die so genannten metallischen Gläser, die statt aus Qaurzsand aus Metalllegierungen wie Cer und Aluminium bestehen. Wenn die sehr unterschiedlich großen Atome dieser beide Metalle im Verhältnis 3:1 gemischt und geschmolzen werden, bildet sich statt eines normalen Metalls ein Metallglas. Solche sehr widerstandsfähigen und magnetischen Materialien werden beispielsweise in den Schutzetiketten der Diebstahlsicherung bei DVDs und anderen Objekten eingesetzt.

„Die Struktur von Glas ist noch immer rätselhaft”, erklärt Qiaoshi (Charles) Zeng von der chinesischen Zhejiang Universität. „Wir wissen wenig darüber, obwohl wir es dauernd nutzen. Und es nicht gerade einfach, die Struktur von Glas mit normalen Methoden zu untersuchen.“ Gemeinsam mit Kollegen mehrerer amerikanischer Universitäten und Forschungseinrichtungen hat Zeng nun fast schon zufällig eine überraschende Erkenntnis über die Struktur metallischer Gläser gewonnen.

In einer solchen Diamantpresse wurden winzige Streifen von metallischem Glas gepresst. © Brad Plummer/ SLAC

Umwandlung zu geordnetem Einkristall

Eigentlich wollten die Forscher nur herausfinden, wie sich Metallglas unter extremen Bedingungen verhält. Dafür platzierten sie unter anderem einen rund einen Zentimeter langen aber ultradünnen Streifen Cer-Aluminium-Glas zwischen zwei Diamantspitzen und setzten es dem Druck von 250.000 Bar aus. Unter dem gewaltigen Druck veränderte sich der Zustand des Glases am jeweiligen Druckpunkt abrupt:

Es entstand ein geordneter, kubischer Kristall, in dem die Atome fein säuberlich wie Pingpong-Bälle in einer Schachtel sortiert waren. Möglich wurde dies, weil die Cer-Atome durch den enormen Druck an Volumen verloren, beide Atomsorten wurden dadurch „gleicher“ und damit besser in ein Gitter einfügbar. Dieses Umspringen in die Kristallstruktur ließ sich an weiteren Stellen des Glasstreifens wiederholen. Das Spannende daran: In den so erzeugten Kristallen waren die Atome immer in der gleichen Richtung angeordnet – ein Hinweis darauf, dass die Atome im Glasstreifen – entgegen bisherigen Annahmen – schon vor dem Umspringen eine gewisse Ordnung gehabt haben mussten.

Erklärung für Widerstandsfähigkeit?

„Vielleicht haben viele Gläser eine solche grundlegende Struktur, aber wussten nicht, wie wir danach suchen mussten“, erklärt Wendy Mao, Physikerin am National Accelerator Laboratory und an der Stanford Universität. Nach Ansicht der Forscher liefert die Hochdrucktechnik neue Einblicke in zwei extreme Beispiele für Atomstrukturen der Materie: den hochgradig geordneten Kristall und das hochgradig ungeordnete Glas.

Die neue Entdeckung könnte auch erklären, warum metallische Gläser so extrem widerstandsfähig sind: Wenn sie die Anlagen zu einer Einkristallstruktur in sich tragen, fehlen ihnen die Schwachstellen, die normalerweise bei Metallen an den Grenzen zwischen den Kristallen auftreten und wo Brüche oder Korrosion als erstes ansetzen. (Science, 2011: DOI: 10.1126/science.1200324)

(DOE/SLAC National Accelerator Laboratory, 20.06.2011 – NPO)

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