Krebszellen des Lymphdrüsenkrebses schaffen sich ausgerechnet dort eine Überlebensnische, wo die Killerzellen des Immunsystems normalerweise für ihren Einsatz fit gemacht werden. Jetzt haben Wissenschaftler herausgefunden, dass und wie ein spezieller Rezeptor den Lymphomzellen das Überleben und Wachsen in dieser so genannten T-Zell-Zone ermöglicht. Die neue Erkenntnis liefert auch für die Krebstherapie einen neuen Ansatz. In ersten Versuchen an Mäusen gelang es bereits, das Lymphomwachstum zu stoppen.
{1l}
Krebszellen wachsen nicht überall im Körper gleich gut. Häufig schaffen sie sich erst die Bedingungen, damit sie wachsen können. So hat die Forschung vor vielen Jahren entdeckt, dass feste Tumoren Blutgefäße anlocken, um sich zu ernähren, indem sie bestimmte Faktoren ausschütten. Andere manipulieren das Immunsystem und schaffen sich so eine Überlebensnische. Dass auch Formen von Lymphdrüsenkrebs sich ihre eigene Überlebensnische schaffen und wie sie dies tun, hat jetzt ein Forscherteam des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) und der Charité – Virchow Klinikum entdeckt.
Lymphome, wie der Lymphdrüsenkrebs in der Fachsprache genannt wird, sind weiße Blutzellen (Lymphozyten), die entartet sind. Die Wissenschaftler stellten in Versuchen an Mäusen zunächst fest, dass die Ausbreitung der Lymphomzellen und ihre Ansiedelung in den Lymphknoten oder in der Milz entscheidend von bestimmten Boten- und Wachstumsstoffen, den Chemokinen CCL19/CCL21, abhängt. Chemokine locken normalerweise Immunzellen zu einer Infektion oder einem Entzündungsort. Lymphomzellen als ehemalige Immunzellen haben auf ihrer Zelloberfläche spezielle Antennen (Rezeptoren), an die diese Botenstoffe binden. Bekommen die Krebszellen das Signal über ihren Rezeptor CCR7, wandern die Krebszellen in Lymphknoten und in bestimmte Areale der Milz.
Überlebensnische in „Fitnesstudio“ des Immunsystems
Dort angekommen finden die Krebszellen ihre Überlebensnische ausgerechnet in der so genannten T-Zell-Zone. In dieser Zone werden normalerweise T-Zellen für die Abwehr fit gemacht. „Es ist paradox, dass Lymphomzellen als ehemalige B-Zellen in der T-Zell-Zone eine absolut optimale Umgebung für ihr Wachstum vorfinden“, erklärt Uta Höpken vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin. In den Lymphknoten nehmen die Lymphomzellen mit Bindegewebszellen (Stromazellen) Kontakt auf, die daraufhin verstärkt die Chemokine CCL19/CCL21 freisetzen.
Über den Rezeptor CCR7 werden dann nicht nur weitere Krebszellen in die Lymphknoten oder in die Milz gelockt, sondern hierdurch wird auch ihr Wachstum stimuliert. Wie die beiden Forscher in einem weiteren Schritt zeigen konnten, wachsen die Lymphome im Lymphknoten oder in der Milz ohne diesen Rezeptor sehr langsam.
Neue Ansatzstelle für Krebstherapie
Zudem schütten die Lymphomzellen selbst einen Signalstoff (Lymphotoxin) aus, der die Stromazellen so verändert, dass sie immer mehr Chemokine freisetzen. Auf diese Weise stellen die Lymphomzellen ihr Überleben sicher. Das erklärt möglicherweise auch, weshalb manche Lymphome so aggressiv sind. In Mäusen gelang es den Forschern bereits, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Mit einem Wirkstoff, der die Bindung des Lymphotoxins an die Stromazellen blockiert, konnten sie das Krebswachstum stoppen.
„Künftig“, so Armin Rehm vom Charité – Virchow-Klinikum,, „wird man bei einer Therapie möglicherweise nicht die Lymphomzellen direkt beeinflussen, sondern stattdessen das Bindegewebe, das für die Krebszellen überlebenswichtig ist.“ (Blood, 2011; doi:10.1182/blood-2010-11-321265)
(Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, 07.06.2011 – NPO)