Leipziger Chemiker haben im „Internationalen Jahr der Chemie 2011“ eine ungewöhnliche Bindung in Molekülen entdeckt, die dadurch Bausteine für bisher unbekannte Stoffe mit neuen Eigenschaften sein könnten. Die Bindung gilt als Überraschung, weil sie zwischen Atomen aus der 15. Gruppe des Periodensystems in Molekülen stattfindet.
Zwischen diesen würde man eigentlich eher eine große Abstoßung erwarten, schreiben die Forscher um die Professorinnen Evamarie Hey-Hawkins und Barbara Kirchner von der Universität Leipzig in der Fachzeitschrift „Chemistry World“. In mehreren Beispielen fanden aber die Chemiker Stefan Zahn und René Frank einen sogenannten Pnikogenen (benannt nach der Gruppe von Atomen) Linker, der gleiche und verschiedene Moleküle mit solchen Atomen – Phosphor, Arsen, Antimon – zusammenschweißt.
Anziehende Wechselwirkung
Den Nachweis, dass es sich hierbei wirklich um eine anziehende Wechselwirkung ausgehend von diesen Atomen handelt, erbrachten die Forscher auf gleich mehrere Arten, wie sie in ihrer Studie im Fachblatt „Chemistry A European Journal“ beschreiben. Unter anderem entdeckten sie in Rechnungen, dass das negative freie Elektronenpaar am Atom, das eigentlich für Abstoßung sorgen sollte, von einem positiven Gürtel umgeben ist, wodurch eine attraktive Wechselwirkung zwischen zwei freien Elektronenpaaren entstehen kann.
Sollte es gelingen, so die Wissenschaftler weiter, diese Bindung noch näher zu charakterisieren und zu dirigieren, dann steht der Synthese von neuen Werkstoffen nichts im Wege.
So stark wie eine Wasserstoffbrücke
Die jetzt entdeckte, ungewöhnliche Bindung liegt nach Angaben der Chemiker in der Größenordnung einer Wasserstoffbrücke. Wasserstoffbrücken sind die Bindungen, die zwischen Wassermolekülen herrschen und für viele der ungewöhnlichen Eigenschaften von Wasser verantwortlich sind. Die Bindungen spielen auch in der Biologie eine große Rolle.
Weiterhin werden solche Bindungen beim Aufbau von supramolekularen Strukturen wie den molekularen Maschinen – Umwandlung von Energien auf molekularer Ebene – in der Natur sowie im Labor beobachtet. Durch solche interessanten und sehr flexiblen Verknüpfungsmöglichkeiten lassen sich nach Angaben der Wissenschaftler wichtige Materialien beziehungsweise Werkstoffe aufbauen.
Viele Anwendungsmöglichkeiten
Durch das grundlegende Verständnis der Eigenschaften kann man Materialien auswählen oder konstruieren, die eine Vielfalt von Anwendungen finden können. Das reicht von strukturiertem Stahl bis zum Computerchip. Materialwissenschaft umgrenzt deswegen viele Felder aus den Ingenieurswissenschaften wie Elektronik, Telekommunikation, Informationsverarbeitung, Atomkraft, Energieumwandlung und anderes.
(Universität Leipzig, 24.05.2011 – DLO)