Komplexe räumliche Prozesse lassen sich nur schwer analysieren, meist werden dafür Computermodelle genutzt. Jetzt haben Mathematiker eine neue Software entwickelt, die komplexe räumliche Vorgänge auf Grundlage eines mathematisch bewiesenen Verfahrens simuliert. Das Programm zerlegt den Raum in eine Vielzahl von Tetraedern und berechnet darauf die Prozesse mit Hilfe einfacher Funktionen.
Wie strömt die Luft um ein Flugzeug? Wie fließt das Blut durch das Herz? Einen realen Prozess genau zu verstehen oder gar vorhersagen zu können ist schwierig, weil er sehr komplex sein kann. Ein mathematisches Modell beschränkt sich daher auf die wichtigsten Aspekte. Soll zum Beispiel der Blutstrom durch das Herz simuliert werden, ist es für den Computer mit seinem endlichen Speicherplatz nicht möglich, für die unendlich vielen Punkte im Innern des Herzens jeweils einen eigenen Funktionswert zu berechnen. Das Modell ist dann zwar gröber als die Realität, dafür ist es handhabbar und gibt die wesentlichen Aspekte wieder.
Die bisherigen Methoden, mit denen sich räumliche Gebilde in geeignete Teilstücke zerlegen lassen, sind stark von Wahrscheinlichkeiten beeinflusst und daher nicht in allen Fällen robust. deshalb haben nun die Mathematiker des Weierstraß-Instituts jetzt das Software-Programm TetGen entwickelt, das komplexe räumliche Vorgänge auf Grundlage eines mathematisch bewiesenen Verfahrens simuliert. Der Raum wird dabei in Tetraeder zerlegt und auf jedem Tetraeder anschließend der reale Prozess mit einer einfachen Funktion angenähert.
Räumliche Gebilde mit Tetraedern gefüllt
„Das ist, als ob ein Kind mit Bauklötzen spielt“, erläutert Jürgen Fuhrmann vom Weierstraß-Institut (WIAS). „Wir versuchen, ein räumliches Gebilde komplett mit Tetraedern auszufüllen, ohne dass es Überschneidungen oder Lücken gibt.“ Was so einfach klingt, ist allerdings sehr komplex. Zunächst muss die gekrümmte Begrenzungsfläche, also zum Beispiel die Herzwand, durch ein Gitter aus Dreiecken angenähert werden. Um den Raum in Tetraeder zu zerlegen, ist es meistens nötig, neue Ecken im Innern oder auf dem Rand hinzuzufügen. Es gibt bisher noch keine Theorie, mit der sich für einen vorgegebenen Körper die Mindestzahl von Tetraedern für eine Zerlegung angeben lässt. Daher kann TetGen nicht die eine optimale Lösung generieren – falls es sie denn gibt – sondern die Mathematiker arbeiten an immer besseren Ergebnissen.
Die erste Version von TetGen hatte der chinesische Mathematiker Hang Si bereits im Jahr 2001 veröffentlicht. Seit 2002 entwickelt er nun die Software und mathematischen Grundlagen für die
dahinterliegenden Algorithmen am Weierstraß-Institut weiter. „Wir haben das Programm immer weiter verbessert, so dass es jetzt auch kompliziertere Körper zerlegen kann.“, erläutert Si. „Es gibt noch viele interessante geometrische Probleme, die gelöst werden müssen, um den Algorithmus verbessern zu können. Ein Beispiel ist die Frage, wie man ein nichtkonvexes Polyeder in eine möglichst optimale Anzahl von Tetraedern zerlegen kann“.
Software bereits in Programmpaket Mathematica integriert
Wichtig ist, dass das Programm frei verfügbar für wissenschaftliche Zwecke ist. So wird es laufend weltweit von Forschern intensiv getestet, und die WIAS-Mathematiker haben viele Hinweise für Verbesserungsmöglichkeiten erhalten. „In TetGen stecken acht Jahre Forschung und das Feedback vieler hochkompetenter Tester“, so Si. Mehrere Firmen haben Lizenzen für die kommerzielle Nutzung von TetGen erworben. So ist es inzwischen in das Programmpaket Mathematica integriert, eines der meistbenutzten mathematisch-naturwissenschaftlichen Programmpakete.
Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes wird es zum Beispiel für die 3D- Darstellung von Städten in den Niederlanden verwendet. „Es gibt aber noch immer Verbesserungsbedarf“, sagt Si. „TetGen kann noch nicht Gitter aus flachen Tetraedern mit Vorzugsrichtungen generieren, wie sie zum Beispiel für die Darstellung von Strömungen in der Nähe des Randes benötigt werden.“ Daher wird er auch weiter daran arbeiten, das Programm zu verbessern.
(Forschungsverbund Berlin, 19.05.2011 – NPO)