Technik

Kriegsspiele zur Behandlung von Kriegstraumata?

Virtuelle Realität hilft Soldaten mit posttraumatischen Belastungsstörungen

Traumatische Szenen in möglichst realistischen Kriegsspiele helfen dabei, Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung nach einem Auslandseinsatz zu behandeln. Das klingt fast schon paradox, funktioniert aber, wie amerikanische Forscher jetzt belegen. Ihrer Erfahrung nach können Virtual-Reality-Anwendungen (VR) eine Alternative zur herkömmlichen Therapie sein und sogar zur Vorbeugung einer posttraumatischen Belastungsstörung eingesetzt werden.

Während eines Kriegseinsatzes wie im Irak oder in Afghanistan sind viele Soldaten traumatischen Erfahrungen ausgesetzt. Diese können nach ihrer Rückkehr in die Heimat dazu führen, dass die Militärangehörigen posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) entwickeln. Symptome sind neben Alpträumen und „Flashbacks“ oft eine Teilnahmslosigkeit gegenüber Mitmenschen oder Ereignissen, Depression oder Angstzustände. Häufig wird eine solche Störung durch die so genannte Expositionstherapie behandelt: Hierbei soll sich der Betroffene gezielt an die traumatische Situation erinnern und dabei die Erfahrungen mit Unterstützung des Therapeuten verarbeiten.

Doch dank der neuen Technologien gibt es auch andere Möglichkeiten: Albert Rizzo und sein Team von der Universität von Südkalifornien in Los Angeles haben in einer Studie untersucht, wie Virtual Reality-Anwendungen genutzt werden können, um Soldaten eine psychologische Hilfe anzubieten, und zwar über den gesamten Einsatz hinweg: von der Vorbereitung über den tatsächlichen Einsatz im Kampfgebiet bis hin zur Nachbetreuung. Damit soll eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) verhindert, erkannt und behandelt werden.

Virtuelle Kriegsszenarien simulieren Trauma

Die getestete VR-Anwendung besteht aus einer Reihe virtueller Szenarien, basierend auf Schilderungen des Kriegsumfelds durch heimkehrende Soldaten. Die emotionale Intensität der Szenen kann vom Therapeuten den Wünschen des Patienten entsprechend exakt kontrolliert werden. Eine solche VR-Therapie liefert multisensorische und kontextrelevante Auslöser, die das Trauma simulieren. Der Patient muss dabei nicht unbedingt tatsächliche Erfahrungen aktiv abrufen, wie beim traditionellen Expositionsansatz.

Die bisherigen klinischen Ergebnisse sind ermutigend. Vor allem ein Test ergab, dass sich bei 80 Prozent der Patienten, die die Behandlung abgeschlossen hatten, ein deutlicher Rückgang von Angst- und Depressionssymptomen zeigte sowie weniger Anzeichen von PTBS. Darüber hinaus zeigen Berichte eine Verbesserung der Alltagssituation einzelner Patienten über mindestens drei Monate hinweg im Anschluss an die Behandlung.

VR-Szenen als Training schon vor dem Einsatz?

Die Wissenschaftler untersuchen auch andere Anwendungen für ihre Methode, darunter das Stress-Resilienz-Training: Soldaten werden dabei bereits vor dem Einsatz mit Bewältigungsstrategien vertraut gemacht, die sie besser auf die emotionalen Herausforderungen des Kampfeinsatzes vorbereiten. Mit diesem Vorgehen lässt sich auch feststellen, welche Soldaten bereit sind, in den Einsatz zurückzukehren und welche eine weitere Behandlung oder mehr Zeit zum Regenerieren brauchen.

Die Autoren gehen davon aus, dass dieser neue psychotherapeutische Ansatz eine große Zukunft hat: „Für die moderne Generation junger Militärangehöriger, die mit Computerspielen groß geworden sind, ist die VR-Expositionstherapie sicherlich interessant, sie fühlen sich wohl mit dem Medium. Wir brauchen Therapien, um den mentalen Bedürfnissen unseres militärischen Personals gerecht zu werden, gleichzeitig hat eine virtuelle Revolution stattgefunden – die Zukunft der klinischen Forschung und Praxis wird sich entsprechend ändern.“ (Journal of Clinical Psychology in Medical Settings, 2011; DOI 10.1007/s10880-011-9247-2)

(Springer Science+Business Media, 17.05.2011 – NPO)

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