Erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, das „Dach der Welt“, den Mount Everest in einer maximalen Auflösung von einem halben Meter dreidimensional abzubilden. Die auch in neun weiteren Gebieten getestete, auf Satellitenbildern beruhende Kartierungstechnik soll unter anderem topogafische und klimabedingte Veränderungen der Erdoberfläche sichtbar machen. Im Falle des Mount Everest können Interessierte zudem die Route von 15 Bergsteigern einer aktuellen Expedition zum höchsten Berg der Erde verfolgen.
Die jetzt am höchsten Punkt der Erde eingesetzte Software basiert auf Technik, die bereits in ganz anderen Höhen – außerhalb der Erde – getestet wurde: Pate gestanden hat der Mars. Genauer gesagt die hochauflösende, vom Institut für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte Stereo-Kamera HRSC. Mithilfe dieses Kamerasystems gelang es im Rahmen der ESA-Mission Mars Express vor drei Jahren, den höchsten Berg des Roten Planeten, den Olympus Mons, dreidimensional zu visualisieren.
Daten von Erdbeobachtungssatelliten „übereinander“ gelegt
Die jetzigen 3D-Bilder sind aus einer Kooperation des Instituts für Robotik und Mechatronik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Unternehmen „3D RealityMaps“ und „DigitalGlobe“ entstanden. DigitalGlobe stellte den DLR-Wissenschaftlern Daten der beiden Erdbeobachtungssatelliten WorldView 1 und WorldView 2 zur Verfügung. Ergänzt wurde das Material von Aufnahmen des deutschen Satellitensystems Rapid Eye. Mit einer vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik entwickelten speziellen Software haben die Wissenschaftler daraus das sehr lagegenaue 3D-Modell von zehn aus wissenschaftlicher Sicht besonders interessanten Gebiete berechnet. Darunter befand sich auch der Mount Everest, mit 8.848 Metern höchster Gipfel der Erde.
Die DLR-Software „legt“ dabei Satellitenaufnahmen aus unterschiedlichen Betrachtungswinkeln übereinander und berechnet daraus die hochaufgelösten dreidimensionalen Oberflächenmodelle und die zugehörigen Bildinformationen. Die Höhenwerte der Satellitendaten sind dabei pixelgenau berechnet und betragen in der Höhe wie in der Breite 50 Zentimeter. Das ist die höchstmögliche Auflösung eines Höhenmodells, die man zur Zeit aus zivilen Satellitendaten gewinnen kann. Zum Vergleich: Die zum Teil älteren Luftbilder, die in Google zu sehen sind, basieren nach Angaben von Frank Lehmann auf Geländemodellen von nur 90 Metern Auflösung, in Europa und Nordamerika sind dies teilweise 30 Meter. Gebäude oder Bäume erscheinen nicht als einzelne erhöhte Objekte.
Route einer realen Expedition verfolgen
Nach dieser Berechnung sind die Messdaten in eine Software der Firma RealityMaps exportiert worden. Diese Software wiederum ermöglicht es, die Daten als 3D-Modell darzustellen und dieses von allen Seiten zu betrachten. „Damit kann der Mount Everest erstmals virtuell in 3D bestiegen werden“, verdeutlicht Frank Lehmann, Leiter der Abteilung Sensorkonzepte- und Anwendungen in der Einrichtung Optische Informationssysteme am Institut für Robotik und Mechatronik.
Wer sich selbst ein Bild machen möchte: Auf der Internetseite www.everest3D.de können Interessierte die Route einer am 15. April 2011 gestarteten Expedition verfolgen, an der 15 Bergsteiger teilnehmen. Zwischen dem 16. und 20. Mai 2011 soll die Gruppe den höchsten aller Gipfel erreichen. Momentan befindet sich die Gruppe oberhalb von Camp 2.
Klima- und Oberflächenveränderungen sichtbar gemacht
Neben dem Mount Everest haben die DLR-Experten für optische Satellitendaten unter anderem auch ein Waldgebiet auf Hawaii, schneebedeckte Gebirgsketten und große Städte wie Mexico City oder Berlin abgebildet. „Das ist der Beweis dafür, dass mit der entsprechenden Software weltweit hochauflösende 3D-Modelle von Landschaften und Städten erzeugt werden können“, steht für DLR-Wissenschaftler Lehmann fest. Daraus lassen sich zum Beispiel klimarelevante Parameter ableiten und somit Rückschlüsse unter anderem auf topografische Veränderungen ziehen.
„Durch die hohe Auflösung können wir Volumenveränderungen von Gletschern berechnen, jahreszeitliche Veränderungen von Schneehöhen ermitteln, aus denen sich dann wiederum Rückschlüsse auf Trinkwasserreserven und Raten der Schneeschmelze ziehen lassen“, veranschaulicht Lehmann. Die Vermessung von Erdbebenzonen oder die Landesvermessung sind wichtige weitere Anwendungsgebiete der neuen, im DLR entwickelten Methoden.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 16.05.2011 – NPO)