Astronomie

Rätsel der „umgekippten” Gasriesen gelöst

Modell erklärt die Entstehung der „falsch herum“ kreisenden heißen Jupiter

Heißer Gasriese zieht in "falscher" Richtung vor seinem Stern vorbei (Illustration) © Lynette Cook

Es gibt Planeten, die dürfte es eigentlich nicht geben: Denn diese heißen Gasriesen umkreisen ihren Zentralstern nicht nur extrem nah, sondern auch noch „falsch herum”. Jetzt haben Astrophysiker ein Modell entwickelt, das erklärt, wie diese ungewöhnlichen Orbits entstanden sein könnten. In „Nature“ belegen sie, wie der Schwerkraft-Einfluss eines zweiten Planeten die Gasriesen näher an den Stern treibt und ihre Bahnrichtung dabei umkippen lässt. Möglicherweise ist sogar unser Sonnensystem in vieler Hinsicht eher die Ausnahme als die Regel unter den Planetensystemen

Mehr als 500 extrasolare Planeten sind heute bekannt. Viele von ihnen gehören zu den relativ gut nachweisbaren Gasriesen von der Größe des Jupiter, die ihren Zentralstern auf einer relativ engen Umlaufbahn umkreisen. Solche Planeten sind ihrem Stern im Durchschnitt achtmal näher als der Merkur der Sonne und entsprechend heiß. Doch erst in den letzten Jahren haben Astronomen entdeckt, dass einige dieser „Hot-Jupiter“-Systeme extrem ungewöhnlich sind: Der Zentralstern dreht sich in die eine Richtung, der umlaufende Planet jedoch bewegt sich entgegengesetzt.

Widerspruch zur Theorie der Planetenbildung

„Das ist wirklich seltsam, und noch seltsamer, weil der Planet seinem Stern so nahe ist“, erklärt Frederic A. Rasio, theoretischer Astrophysiker an der Northwestern University. „Wie kann der eine in die eine Richtung und der andere in die genaue Gegenrichtung kreisen? Das ist verrückt. Es widerspricht so offensichtlich unserer grundlegenden Vorstellung der Planeten- und Sternbildung.“ Denn nach dieser entstehen Stern und Planeten aus derselben, sich drehenden Urwolke, der so genannten Akkretionsscheibe. Ihre Drehrichtung, so die Lehrmeinung, bestimmt damit sowohl die Rotation des Sterns als auch die Orbits der Planeten.

Der Astrophysiker Rasio und seine Kollegen sind nun mit Hilfe von Computermodellen der Frage nachgegangen, wie solche verkehrt herum kreisenden „heißen Jupiter“ entstehen könnten. Dafür gingen sie von einen System mit einem sonnenähnlichen Stern und zwei Planeten aus. Beide Planeten sind jupitergroß und bewegen sich auf Umlaufbahnen, die für solche Gasriesen als typisch gelten – eher weit vom Stern entfernt. Auf die Planeten wirkt nun nicht nur die Anziehungskraft des Zentralsterns, sondern auch die des jeweils anderen Planeten.

Schwerkraft von „Bruderplanet“ lässt Orbit kippen

„Sobald man mehr als einen Planeten hat, stören sie sich gegenseitig durch ihre Schwerkraft“, so Rasio. „Das wird interessant, weil es bedeutet, dass der Orbit, in dem sie entstanden, nicht notwendigerweise derjenige ist, in dem sie später auch bleiben werden. Diese gegenseitigen Beeinflussungen können die Umlaufbahnen verändern, wie wir in diesen extrasolaren Systemen sehen.“ Im Modell sind diese Effekte zunächst schwach, akkumulieren sich jedoch im Laufe der Zeit.

Sie führen dazu, dass sich die Umlaufbahn des inneren Planeten verformt und zu einem extrem exzentrischen, sehr schmalen Orbit wird. Dadurch jedoch verliert die Bewegung des inneren Planeten weiter an Energie. Als Folge wird der Orbit sehr eng und kann dabei in die „falsche“ Richtung umkippen. Rund ein Viertel der bekannten heißen Jupiter erlebten offenbar dieses Schicksal und kreisen nun auf einem solchen entgegengesetzten Orbit.

Sonnensystem eher Ausnahme als Regel?

„Diese Berechnungen durchzuführen war alles andere als offensichtlich oder einfach“, so Rasio. „Einige der Gleichungen, die andere dafür in der Vergangenheit genutzt haben, waren nicht ganz richtig. Wir haben es zum ersten Mal in 50 Jahren geschafft.“ Ihr neues Modell erklärt jedoch nicht nur die ungewöhnlichen Umlaufbahnen einiger heißer Jupiter, es beeinflusst auch grundlegende Vorstellungen der Planetenbildung und –entwicklung und auch die Sicht auf unser Sonnensystem.

„Wir haben gedacht, dass unser Sonnensystem im Universum eher typisch ist, aber vom ersten Tag an erschien uns bei den extrasolaren Systemen einiges merkwürdig”, erklärt der Astrophysiker. „Das Lernen über diese anderen Systeme liefert uns nun einen Kontext dazu, wie speziell unser System ist. Wir scheinen wirklich an einem besonderen Ort zu leben.“ (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10076)

(Northwestern University, 12.05.2011 – NPO)

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