In der Mongolei haben Paläontologen erstmals den gut erhaltenen Schädel eines nur rund zwei bis drei Jahre alten Tarbosaurier-Jungtiers entdeckt. Er enthüllt eines der Erfolgsgeheimnisse der fleischfressenden Tyrannosauriden: Weil die zarten Schädel der Jungtiere noch nicht an die brachialen Jagdmethoden der Großen angepasst waren, jagten Alte und Junge unterschiedliche Beute. Damit verringerten sie die innerartliche Konkurrenz um Nahrung. Dieser jüngste jemals entdeckte Tyrannosauriden-Schädel hilft zudem dabei, auch andere, bisher umstrittene Jungtierfunde genauer einzuordnen.
Am Ende der Kreidezeit waren die fleischfressenden Tyrannosauriden die unangefochtenen Herrscher. Im Gebiet des heutigen Amerika dominierte dabei die vor allem die Gattung Tyrannosaurus, in Asien die Tarbosaurier. Auch sie waren Riesen von bis zu zwölf Metern Körperlänge und die Top-Prädatoren ihrer Lebensräume. In Anpassung an ihre räuberische Lebensweise war ihr Schädel zu einem mächtigen Beiß- und Kampfwerkzeug entwickelt. Wie aber die Jungtiere aussahen und vor allem, wie sich ihr Schädel im Laufe des Heranwachsens entwickelte, war bisher unklar, entsprechende Fossilien gab es kaum.
Jüngster Schädel eines Tyrannosauriden
Im Jahr 2006 stieß ein internationales Forscherteam unter Leitung von Mahito Watabe vom Hayashibara Naturkundemuseum im japanischen Okayama bei einer Ausgrabung in der Mongolei auf einen sensationellen Fund: den bisher jüngsten jemals entdeckten Schädel eines Tyrannosauriden-Jungtiers. Der 70 Millionen Jahre alte Schädel eines Tarbosaurus bataar ist nahezu komplett erhalten und enthüllt wertvolle Details über die Anatomie und Entwicklung der Jungtiere dieser Dinosauriergruppe – unter anderem, dass sie sich deutlich von ihren erwachsenen Artgenossen unterschieden.
„Wir wussten, dass erwachsene Tarbosaurier dem T.rex sehr ähnlich sind”, erklärt Takanobu Tsuihiji vom Nationalmuseum für Natur und Wissenschaft in Tokio. „Erwachsene zeigen im gesamten Schädel Merkmale, die mit einem kraftvollen Biss verbunden sind: große Muskelansatzstellen, Knochenvorsprünge, spezialisierte Zähne. Das Jungtier ist dagegen so jung, dass es noch keine dieser Merkmale besitzt, daher muss es sich ganz anders als seine Eltern ernährt haben.“
Jungtier-Schädel noch ohne Spezialisierungen
Der junge Tarbosaurus war wahrscheinlich zwei bis drei Jahre alt als er starb. Aus der Länge der erhaltenen Beinknochen rekonstruieren die Forscher eine Körpergröße von 2,70 Metern und ein Gewicht von gut 30 Kilogramm – nur ein Hänfling im Vergleich zu den sechs Tonnen Gewicht eines erwachsenen Tarbosauriers. Besonders auffallend: Dem rund 28 Zentimeter großen Schädel des Jungtiers fehlen noch sämtliche für die Adulten so typischen Anpassungen und Verstärkungen für besonders kraftvolle Beiß- und Reißbewegungen.
„Der Kleine war vermutlich erst zwei oder drei, aber war kein Kleinkind mehr”, erklärt Lawrence Witmer, Paläontologe an der Ohio Universität in Athens. „Wir wissen nicht, in welchem Maße die Eltern ihm Nahrung brachten, aber wahrscheinlich war er bereits ein ziemlich fähiger Jäger. Sein Schädel war nicht so stark wie der eines Erwachsenen, daher muss er ein vorsichtigerer Jäger gewesen sein, der eher Schnelligkeit und Wendigkeit als rohe Kraft einsetzte.“
Unterschiedliche Jagdstrategien verringern innerartliche Konkurrenz
„Der Schädel des Jungtiers zeigt, dass es einen Wechsel der Nahrungsnischen gegeben haben muss, wenn die Tiere älter wurden“, so Tsuihiji. „Die jüngeren Tiere jagten kleinere Beute, die sie ohne Risiko für Schädelverletzungen überwältigen konnten, während die älteren Tiere und Erwachsenen stärkere Schädel besaßen, die ihnen auch die Jagd auf größere, gefährlichere Beute ermöglichten.“ Diese bei Adulten und Jungtieren unterschiedlichen Jagdstrategien könnten auch dafür gesorgt haben, die innerartliche Konkurrenz der Tarbosaurier zu reduzieren und damit ihre Rolle als die dominanten Prädatoren ihres Lebensraums zu stärken.
„Das ist eines der Erfolgsgeheimnisse der Tyrannosaurier – die verschiedenen Altersgruppen konkurrierten nicht miteinander um Nahrung, weil sich ihre Ernährung beim Heranwachsen veränderte“, so Witmer. Beute verschiedener Größenklasse gab es in der Lebenswelt der Kreidezeit reichlich. „Tarbosaurus wird in den selben Gesteinen gefunden wie die großen pflanzenfressenden Dinosaurier wie der langhalsige Sauropode Opisthocoelicaudia oder der Entenschnabel-Saurier Saurolophus“, ergänzt Watabe. „Aber der juvenile Tarbosaurus wird kleinere Beute gejagt haben, vielleicht eher wie den Prenocephale.“ Dieser kuppelköpfige Pflanzenfresser wurde maximal zweieinhalb Meter lang.
Hilfe bei Zuordnung auch anderer Jungtierschädel
Der Schädel ist aber auch über die neuen Erkenntnisse über die Tarbosaurier hinaus von immenser Bedeutung. Denn er trägt auch dazu bei, die Unsicherheiten über weitere, bisher nur unter Vorbehalt als Jungtiere einstufte Tyrannosaurierschädel auszuräumen. „Das Schöne an unseren neuen jungen Schädel ist die Tatsache, dass wir aus gutem Grund absolut sicher sind, dass es sich hier um einen Tarbosaurus handelt”, so Witmer. „Wir können daher diese jetzt bekannte Wachstumsreihe nutzen um ein besseres Gespür dafür zu bekommen, ob auch einige der bisher kontroverseren Funde zu einem Tarbosaurus, Tyrannosaurus oder aber zu einer anderen Art herangewachsen wären.“
(Ohio University / Witmer Lab, 10.05.2011 – NPO)