Astronomie

Titan: flüssiger Ozean unter der Kruste?

Ungewöhnliches Trägheitsmoment als mögliches Indiz einer flüssigen Schicht im Saturnmond

Indizien deuten auf eine flüssige Schicht unter der Kruste des Titan hin © NASA

Gibt es auch unter der Kruste des Saturnmonds Titan einen Ozean aus flüssigem Wasser? Neue Messdaten der Raumsonde Cassini enthüllen eine Achsneigung des Mondes, die entweder auf eine extrem ungewöhnliche Dichteverteilung oder aber eine flüssige Schicht in seinem Inneren schließen lassen. Ob der unter der Kruste verborgene Ozean aus Wasser, Wasser-Methan-Gemisch oder Methan besteht und wie dick er ist, bleibt allerdings unklar.

Der Saturnmond Titan ist von seiner dichten Atmosphäre völlig eingehüllt, seine Oberfläche nicht sichtbar. Doch was sich darunter verbirgt, gilt in vieler Hinsicht als besonders spannend für Planetenforscher. Denn er ist der einzige Himmelskörper im Sonnensystem, der ähnlich wie die Erde Seen und Flüssigkeit an seiner Oberfläche besitzt – allerdings kein Wasser sondern flüssiges Methan. Die NASA-Sonde Cassini hat jetzt jedoch Daten geliefert, die ein Indiz für ein weiteres Flüssigkeits-Reservoir auf dem Saturnmond sein könnten.

Achsneigung verrät ungewöhnliches Trägheitsmoment

Schwerkraft- und Radarmessungen enthüllen, dass Rotation und Umlaufbahn des Titan der unseres Mondes zwar sehr ähneln – so kehrt der Mond seinem Planeten beispielsweise immer die gleiche Seite zu. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied: Die Rotationsachse des Saturnmonds ist um 0,3 Grad geneigt – ein Neigungswinkel, den es in dieser Höhe nicht geben dürfte. Es sei denn, der Mond hat ein ganz anderes Trägheitsmoment, als bisher angenommen.

Denn das seltsame Verhalten des Titan wäre eigentlich nur erklärbar, wenn Titan an seiner Oberfläche eine größere Dichte besäße als in seinem Inneren. „Das aber steht im Gegensatz zu allem, was wir über andere Planeten und Monde und die Planetenbildungsprozesse wissen“, erklärt Rose-Marie Baland, Planetenforscherin am Königlich Belgischen Observatorium in Brüssel. Denn normalerweise sinken im Laufe der Schichtenbildung im Planeteninneren die schwereren und dichteren Elemente in Richtung Zentrum, die leichteren sammeln sich nahe der Oberfläche. Beim Titan müsste dieses Grundprinzip komplett auf den Kopf gestellt worden sein.

Flüssiger Ozean unter der Kruste?

Es gibt aber theoretisch auch eine andere Möglichkeit: Der Titan könnte, ähnlich wie auch der Jupitermond Europa, einen flüssigen Ozean unter seiner Kruste verbergen. Das entdeckten die Forscher um Baland, als sie ein Modell mit verschiedenen Varianten eines inneren Aufbaus fütterten um herauszufinden, welche Struktur ein so ungewöhnliches Trägheitsmoment hervorrufen könnte. Woraus ein solcher flüssiger Ozean besteht – ob aus Wasser, einem Methan-Wasser-Gemisch oder sogar komplett aus flüssigem Methan, ist offen.

© NASA

Baland und ihre Kollegen berechneten in ihrem Modell zunächst die mögliche Ausdehnung eines Ozeans aus Wasser, ausgehend von bekannten Beispielen wie dem Mond Europa, die einen solchen Wasserozean besitzen. Die sich ergebende Spannbreite für den Titan ist hoch: Je nach Krustendicke – ob 150 oder 200 Kilometer, könnte das Untergrund-Meer irgendwo zwischen fünf und 425 Kilometer dick sein. Genauso möglich wäre es jedoch, dass auch eine flüssige Schicht auf dem Titan vorwiegend aus Methan besteht. Diese Fall haben die Forscher noch nicht kalkuliert.

Noch ist das Modell kein endgültiger Beleg für die Existenz eines Ozeans unter der Kruste der Methanwelt Titan. Allerdings bestärkt die neue Studie Indizien, die bereits im Jahr 2008 auf die Möglichkeit einer flüssigen Schicht unter der Oberflächen hindeuteten. Damals ergab ein Vergleich von 50 markanten, per Radar kartierten Landmarken eine Verschiebung dieser Strukturen um bis zu 30 Kilometern in zwei Jahren.

Vergleich mit Europa und Ganymed

Das ungewöhnliche Trägheitsmoment des Titan könnte allerdings auch auf etwas ganz anderes hinweisen: Dass seine Rotation und Achsneigung nicht stabil ist, wie für diese Berechnungen vorausgesetzt, sondern erst vor kurzem gestört und verändert wurde. Das wäre beispielsweise durch die Kollision oder den nahen Vorbeiflug eines Kometen oder Asteroiden möglich.

Baland und ihre Kollegen wollen nun ihr Modell und ihre Methode, das Trägheitsmoment zu ermitteln, auf die großen Jupitermonde Io, Europa, Ganymed und Callisto anwenden. Zumindest bei Ganymed und Europa ist die Existenz eines Untergrund-Ozeans relativ gut belegt, so dass der Vergleich mit dem Titan weitere Erkenntnisse liefern könnte. (Astrobiology & Astrophysics, 2011 (in press); DOI: 10.1051/0004-6361/201116578)

(NASA / Physics arXiv Blog, 09.05.2011 – NPO)

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