Im Untergrundlabor des italienischen Gran Sasso fahnden Forscher nach WIMPS, den rätselhaften Teilchen der Dunklen Materie. Nach gut 100 Tagen Messung ist ein Nachweis solcher schwach wechselwirkender Teilchen noch nicht gelungen, wohl aber eine Einschränkung des zukünftigen Suchbereichs. Dies weckt die Hoffnung, in naher Zukunft eines der fundamentalsten Rätsel der Physik lösen zu können.
Dunkle Materie ist eine unsichtbare aber zugleich wesentliche Komponente des Universums, die vermutlich mehr als achtzig Prozent aller Materie ausmacht. Bisher wurde Dunkle Materie jedoch nur indirekt nachgewiesen, über ihre Anziehungskraft auf sichtbare Materie. Die Forschung geht davon aus, dass die Dunkle Materie aus WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles) besteht, Teilchen, die beim Urknall entstanden sind. Man erwartet, dass WIMPs eine mit Atomkernen vergleichbare Masse haben und nur sehr schwach mit normaler Materie wechselwirken.
Findet eine dieser seltenen Kollisionen eines WIMPs mit Atomkernen statt, setzt dies einen winzigen Energiebetrag frei, der mittels äußerst empfindlicher Instrumente nachgewiesen werden kann. Dieser Nachweis soll unter anderem mit Hilfe des unterirdischen XENON100-Detektors gelingen. Untergebracht ist der Detektor im Untergrundlabor im italienischen Gran Sasso, wo 1.400 Meter Fels das Experiment unter anderem vor störender kosmischer Strahlung abschirmen. Der XENON100-Detektor misst in gut 60 Kilogramm flüssigem Xenon kleinste Licht- und Ladungssignale, welche durch seltene Kollisionen zwischen WIMPs und Xenon-Atomen stattfinden.
Erste Daten: noch kein Beleg, aber erste Einschränkungen des Suchbereichs
Jetzt liegt die Auswertung von ersten Daten aus 100 Tagen Messung vor. Die im Januar 2010 gestartete Messreihe ergab insgesamt drei Kandidaten im vordefinierten Parameterbereich, in dem ein WIMP-Signal erwartet würde. „Hinweise für die Existenz von WIMPs liefern diese Daten zwar noch keine“, fasst Laura Baudis, Physikerin der Universität Zürich, die Ergebnisse zusammen. „Aber sie grenzen den Bereich für die künftige Suche ein: Wusste man bisher nicht, wo suchen, kann jetzt der Bereich der Suche klar definiert werden. Außerdem lassen sich aus diesen Daten die bisher stärksten Einschränkungen für Modelle der Teilchenphysik ableiten.“
Während noch in diesem Jahr weitere Messreihen folgen sollen, bereitet die Kollaboration bereits das Experiment der nächsten Generation vor. Der neue Detektor soll 1.000 Kilogramm flüssiges Xenon als Targetmasse haben. Mit weiteren Reduktionen beim radioaktiven Untergrund wird dieser XENON1T-Detektor am Ende hundertmal sensitiver sein als XENON100. Für die nahe Zukunft folgert Laura Baudis: „Die kommenden Jahre werden spannend, denn es gibt berechtigte Hoffnung, eines der fundamentalsten Rätsel der Physik lösen zu können. Und dabei findet gleichsam auch eine Begegnung von Kosmologie und Teilchenphysik statt. Denn: Die direkte Beobachtung von WIMPs würde durch die damit einhergehende Manifestation von Dunkler Materie einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den größten Strukturen im Kosmos und der subatomaren Welt herstellen.“
(Universität Zürich, 15.04.2011 – NPO)