Auch Mikroorganismen können durch Viren infiziert werden. Sie entwickeln dabei ausgeklügelte Abwehrmechanismen, um feindlichen Angriffen zu widerstehen. Ein wichtiger Teil der Aktivierung des mikrobiellen Immunsystems ist die Reifung kurzer RNA-Moleküle (crRNAs). Ein internationales Forscherteam hat jetzt einen neuen Weg zur Aktivierung der crRNAs entdeckt.
Die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ präsentierten Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Übertragung von Virulenz bei Krankenhauskeimen und die Immunität von Bakterienstämmen bei der Herstellung von Milchprodukten.
Ausgeklügeltes Abwehrsystem
Mikroorganismen sind ständigen Angriffen durch Viren, in diesem Fall Bakteriophagen, oder ringförmigen Nukleinsäuren anderer Bakterien ausgesetzt, so genannten Plasmiden. Diese fremden Gene können das Genom des Wirts zur Selbstzerstörung umprogrammieren oder ihm neue Eigenschaften zur Antibiotika-Resistenz verleihen.
Um sich gegen eine Infektion zu schützen, entwickelten Mikroorganismen ein ausgeklügeltes Abwehrsystem. CRISPRs – Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats – sind Genabschnitte für ein Protein (Cas) und zusätzlichen so genannten Spacern, Abschnitten, die spezifisch fremde Gene erkennen und deren Zerstörung bestimmen. Der CRISPR/Cas-Mechanismus ist erst seit wenigen Jahren bekannt, viele Details um seine Regulation und Mechanismen sind noch unklar.
Völlig neue Erkenntnisse liefert nun die Forschungsgruppe um Emmanuelle Charpentier vom Laboratory for Molecular Infection Medicine Sweden (MIMS) der Universität Umeå in Zusammenarbeit mit dem Team um Jörg Vogel am Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB) der Universität Würzburg.
Umprogrammierung der mikrobiellen Wirtszelle
Wie funktioniert das Immunabwehrsystem CRISPR/Cas in Mikroorganismen? Wenn Bakterien und Archaeen Virus- oder Plasmid-Angriffen ausgesetzt sind, werden kurze Stücke der feindlichen DNA in das Bakterium injiziert und in den CRISPR-Genkomplex eingebaut. Diese Veränderung des Genoms führt zur Umprogrammierung der mikrobiellen Wirtszelle, die die eingebauten Genabschnitte als immunologisches Gedächtnis nutzt und der Zelle auch Immunität gegen künftige Infektionen mit den gleichen feindlichen Genen verleiht.
Nach dem Einbau kommt es zur crRNA-Reifung, wobei der veränderte genomische CRISPR-Komplex in der Wirtszelle in RNA-Moleküle übersetzt wird. Diese RNA-Moleküle werden in spezifische Sequenzen gespalten und im letzten Schritt der Immunreaktion, dem so genannten Stilllegen der fremden Gene, erkennen diese kurzen crRNA-Stückchen das Fremdgenom wieder und führen es der zellulären Abbaumaschine zur Zerstörung zu.
Bisher ging man davon aus, dass bei allen Reaktionen dieses Immunsystems die Aktivierung durch das Cas-Protein ausreicht. Die neuen Forschungsergebnisse von Charpentier und ihren Kollegen zeigen jetzt, dass zusätzliche Faktoren im Wirtsgenom für die Aktivierung des CRISPR-Mechanismus benötigt werden, die an RNA-Interferenz bei höheren Organismen erinnern.
Drei neue Faktoren
„Wir haben die CRISPR/Cas Immunreaktion in unserem Modellorganismus, Streptococcus pyogenes, einem human pathogenen Bakterium untersucht“, erklärt Charpentier. „Völlig überraschend entdeckten wir einen neuen Reaktionsweg zur Aktivierung von CRISPR, bei dem – bisher gänzlich unbekannt – drei neue Faktoren an der Reifung der crRNA beteiligt sind: kurze RNA-Stücke (small RNA), ein Protein des Wirts, Endoribonuklease III genannt, und ein bisher unbekanntes Protein Csn1.“
Und weiter: „Das Zusammenspiel dieser Faktoren führt zu einem besonders exakten Abwehrmechanismus.“ Das kleine Erkennungs-RNA-Molekül bindet den Wissenschaftlern zufolge jeweils an der sich wiederholenden Stelle der CRISPRs-Vorläufer RNA. Dieser Komplex wird dann von der bakterieneigenen Endoribonuklease III erkannt und spaltet unter Mithilfe von Csn1 die Vorläufer RNA in die kurzen crRNA-Stückchen. Diese können die fremden Gene in weiterer Folge korrekt erkennen und beseitigen.
Bakterieller Mechanismus konserviert
Bei Eukaryoten sind es die Enzyme Dicer und Drosha, die auch mit den Endoribonukleasen III zusammenwirken und zur Bildung von kleinen interferierenden RNA-Molekülen führen. „Wir konnten zeigen, dass der bakterielle Mechanismus zur Reifung von crRNA unter Beteiligung von Endoribonuklease III während der Evolution zu Eukaryoten konserviert blieb“, erklärt Charpentier. Somit kann das CRISPR/Cas System in vielen Varianten in unterschiedlichen Organismen vorkommen. Für künftige Forschungen stellt sich die Frage, ob weitere Faktoren der bakteriellen Wirtszelle bei der Immunabwehr benötigt werden.
Alternativer Ansatz zur Bekämpfung von Krankheitserregern
„Der neu entdeckte Reaktionsweg schützt die Bakterien davor, von Phagen abgetötet zu werden“, meint Charpentier. „Wir konnten feststellen, dass dieser Mechanismus die Bakterien auch vor der Übertragung weiterer Krankheitsfaktoren durch Viren schützt, zum Beispiel bei Antibiotikaresistenzen. Somit könnte CRISPR auch einen alternativen Ansatz zur Bekämpfung von resistenten Krankheitserregern in Kliniken eröffnen.“
Alternativ könne die besondere Förderung des neuen Signalweges bei nützlichen Bakterienstämmen dazu führen, dass Nutzorganismen gegen zerstörerische Viren-Angriffe resistent bleiben und nicht verändert werden. Dies könne beispielsweise in der Produktion von Molkereiprodukten zum Einsatz kommen, um die Mikroorganismen stabiler zu machen und so die Effizienz des Produktionsprozesses zu steigern, so Charpentier. (Nature, 2011; doi:10.1038/nature09886)
(Universität Wien, 01.04.2011 – DLO)