Zoologie

Gibbons: Weibchen lernen anders

Geschlechtsspezifische Unterschiede im Lernverhalten aufgedeckt

Weißhandgibbon © Matthias Trautsch / GFDL

Bei Gibbons gibt es deutliche Unterschiede im Lernverhalten zwischen den Geschlechtern, das haben Experimente jetzt gezeigt. Während Weibchen neue Situationen zögerlicher angingen, aber beim Werkzeuggebrauch deutlich von Vorerfahrungen profitierten, war dies bei den Männchen nicht der Fall. Sie lernten offenbar weniger gut aus vorherigen Versuchen. Wie die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift „Animal Cognition“ berichten, könnte dies eine evolutionär bedingte Anpassung sein.

Experimente zum Werkzeuggebrauch von Affen gibt es inzwischen viele, die meisten von ihnen werden mit Schimpansen oder Bonobos durchgeführt und sollen Lernverhalten, Kooperation und ähnliche Verhaltensweisen erhellen. Widersprüchliche Ergebnisse gab es bisher allerdings in Versuchen, bei denen getestet werden sollte, inwieweit Affen von Vorübungen und Vorerfahrungen profitieren können. Während einige Studien deutliche Verbesserungen beobachteten, konnten andere dies nicht bestätigen.

Futter-Heranholen per Werkzeug

Ein Forscherteam der Universitäten von Abertay Dundee und Stirling in Schottland sowie Forscher des Gibbon Conservation Center in Santa Clara, Kalifornien, haben jetzt diese Diskrepanzen in Experimenten mit Gibbons zu klären versucht. In den Versuchen sollten 22 Gibbons beiderlei Geschlechts darauf kommen, ein rechenartiges Werkzeug einzusetzen, um Nahrung hinter einer Barriere hervorzuziehen.

Gemessen wurde dabei sowohl die Zeit, die die Affen benötigten, bis sie das Werkzeug aufnahmen, als auch die Zeit bis zur erfolgreichen Erlangung des Futters. Alle Gibbons waren zuvor nicht an Werkzeuggebrauch gewöhnt worden. Ein Teil der Tiere bekam jedoch die Gelegenheit, das Heranrechen von Objekten zu üben – ohne dafür allerdings mit Futter belohnt zu werden. Die Forscher achteten zusätzlich darauf, ob es im Lernverhalten Unterschiede zwischen den Geschlechtern gab.

Weibchen profitieren von Vorerfahrungen, Männchen nicht

Die Experimente enthüllten deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Gibbons: „Wir haben festgestellt, dass weibliche Gibbons, die keine Vorerfahrungen mit dem Werkzeug besaßen fast drei Mal so lange brauchten, bis sie erfolgreich mit dem Werkzeug Nahrung hinter einer Barriere hervorgezogen hatten“, erklärt Clare Cunningham, Leiterin der Studie von der Universität von Alberta. Der bloße Zugang zum Werkzeug vor dem Test verbesserte ihre Erfolgschancen nicht, wohl aber vorherige Versuche. „Dieses Ergebnis war eine echte Überraschung für uns, wir hatten einen so großen Unterschied bei den Weibchen, die zuvor die Möglichkeit zum Lernen hatten, nicht erwartet.“

Im Gegensatz dazu scheinen Männchen nicht von Vorerfahrungen zu profitieren: Tiere, die bereits zuvor mit dem Rechen experimentiert hatten, brauchten sehr viel länger als beim ersten Mal, um sich dem Werkzeug überhaupt zu nähern und es zu ergreifen. Nach Ansicht der Forscherinnen deutet dies darauf hin, dass Männchen weniger interessiert an Objekten sind, die sie bereits kennen.

Vorsicht der Weibchen evolutionär bedingt?

Nach Ansicht der Forscher lassen sich diese geschlechtsspezifischen Unterschiede durchaus biologisch erklären: Für Weibchen, die Junge haben oder schwanger sind, ist es evolutionär gesehen ungünstig, sich neuen und unbekannten Situationen auszusetzen, sie sind daher zögerlicher und vorsichtiger. Denn wenn ihnen etwas geschieht, ist auch der Nachwuchs in Gefahr. Männchen dagegen fehlen diese „reproduktiven Kosten“, sie scheinen daher diese Vorsicht gegenüber neuen Dingen weniger stark entwickelt zu haben. Stattdessen sind sie eher desinteressiert bei Bekanntem.

Entwickelt haben sich diese Unterschiede vermutlich im Laufe der Zeit: „Wir glauben, dass die weiblichen Gibbons, die vorsichtiger gegenüber neuen Objekten und neuen Situationen sind, einen evolutionären Vorteil haben könnten“, so Cunningham. „Ihre Wahrscheinlichkeit zu überleben ist höher und daher wird ihre vorsichtige Disposition an die nächste Generation weitergegeben.“

Ob sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, ist noch unklar. „Diese Forschung ist sehr spannend, denn sie eröffnet eine Reihe von Fragen, die wir uns nun stellen“, so Cunningham. „Haben beispielsweise andere Arten wie der Mensch auch diese Geschlechtsunterschiede beim Lernen entwickelt? Wenn ja, könnte dies eine sehr wichtige Studie werden.“

(University of Abertay Dundee, 10.03.2011 – NPO)

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