Ein internationales Forscherteam hat mithilfe von Computersimulationen die Eigenschaften von Spinnenseide im Detail untersucht. Wie sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Biophysical Journal“ berichten, konnten sie dabei das Rätsel um die nahezu unverwüstliche Naturfaser lüften.
Die Forscher um Frauke Gräter am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) erforschen mit rechnergestützten Methoden, wie physikalische Kräfte mit molekularen Prozessen zusammenwirken. Ein Gegenstand ihrer Forschung sind die faszinierenden Eigenschaften von Spinnenseide, die reißfester als Stahl ist.
Wichtige Ergebnisse dazu hat jetzt eine neue Studie geliefert, die die HITS-Forscher gemeinsam mit Kollegen aus Shanghai und Stuttgart durchgeführt haben. „Die Publikation ist Ergebnis eines interdisziplinären Projekts“, so Gräter. „Wir haben physikalische Modelle biologischer Probleme mit ingenieurwissenschaftlichen Werkzeugen verknüpft.“
Prinzip Hochrechnung
Die genauen physikalischen Modelle des Aufbaus von Spinnenseide lassen sich mit heutigen Rechnerleistungen nur zum Bruchteil berechnen – einzelne Bausteine zu berechnen dauert selbst auf Supercomputern einige Monate.
„Wir nutzen die Ergebnisse unserer eigenen bisherigen Berechnungen und skalieren sie auf die gesamte Seidenfaser hoch, ähnlich wie bei einer Hochrechnung“, erklärt Gräter. „Dazu berechnen wir sie mit den Methoden und Werkzeugen der Ingenieure, wie sie zum Beispiel bei einem Crash-Test angewendet werden.“
Dadurch können die HITS-Forscher in ihren Computersimulationen der Frage nachgehen, wie die gesamte Seidenfaser auf mechanische Kraft regiert, wenn zum Beispiel daran gezogen wird.
Optimale Reißfestigkeit und Elastizität
Das Ergebnis der Studie im Biophysical Journal zeigt, wie die Hauptbestandteile des Seidenproteins angeordnet sein müssen, damit die optimale Reißfestigkeit und Elastizität erreicht werden. „Die Hauptbestandteile sind zum einen kristalline, also hoch geordnete, Bausteine und zum anderen weiche, ungeordnete Einheiten“, so Gräter. Bisher nahm man an, dass diese beiden Bestandteile in der Seide zufällig angeordnet sind.
Bausteine in Scheiben angeordnet
Die Heidelberger Forscher konnten nun zeigen, dass die Seide erst dann wirklich reißfest wird, wenn man die Bausteine regelmäßig in Scheiben anordnet – „wie die hauchdünnen Scheiben einer Salami“, sagt Gräter. Bislang gibt es keinen Kunststoff, der sich mit den mechanischen Eigenschaften der Seide messen kann.
„Unsere Computermodelle können den Polymerchemikern helfen, neue Materialien zu entwickeln, die zugleich sehr reißfest und elastisch sind“, resümiert Gräter abschließend. (Biophysical Journal, 2011; doi:10.1016/j.bpj.2010.12.3712)
(Heidelberger Institut für Theoretische Studien, 03.03.2011 – DLO)