Eine Verschärfung der Klimaziele könnte der Europäischen Union einen Boom in der Wirtschaft bescheren. So das Ergebnis der jetzt vorgestellten Studie eines internationalen Expertenkonsortiums. Demnach könnte eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen auf 30 statt wie bisher 20 Prozent bis zum Ende dieses Jahrzehnts bis zu sechs Millionen neuer Jobs und bis zu 620 Milliarden Euro mehr Bruttoinlandsprodukt in den Mitgliedsstaaten bringen.
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Der internationale Klimaschutz bisher ist geprägt von der Angst der Staaten, durch Reduktionen wirtschaftliche Vorteile zu verlieren oder gar Verluste zu erleiden. Dass dies nicht so ist, hat jetzt die von Ökonomen mehrerer renommierter europäischer Institute geschriebene Studie „A New Growth Path for Europe“ eindrücklich belegt. In Simulationen zeigen sie zudem, wie wichtig der Einfluss der Politik auf die Erwartungen von Investoren ist – und wie Investitionen Lernprozesse in Wirtschaft und Technologie auslösen, die am Ende die Kosten des Klimaschutzes senken.
620 Milliarden Euro mehr für die EU-Staaten
Entgegen bisherigen Annahmen zeigen die Autoren, dass eine Anhebung des EU-Klimaziels auf 30 Prozent spürbare positive wirtschaftliche Effekte für die EU-Mitgliedsstaaten hätte. Profitieren würden der Studie zufolge alle großen Wirtschaftssektoren, insbesondere aber das Baugewerbe. Eine effizientere Nutzung der Energie hänge wesentlich von der Energiebilanz der Gebäude ab. Auch der Klimapionier Deutschland könnte der Studie zufolge sich weiter verbessern.
Der Anteil von Investitionen am Bruttosozialprodukt könnte bis 2020 von knapp 14,9 auf bis zu 18,6 Prozent steigen, die gesamte Wirtschaftsleistung im Jahresdurchschnitt statt um 1,8 Prozent um bis zu
2,4 Prozent wachsen, die Arbeitslosenrate von 8,5 auf bis zu 5,6 Prozent sinken, so das Ergebnis der Berechnungen. Das bedeutet bis zu sechs Millionen neuer Jobs und bis zu 620 Milliarden Euro mehr Bruttoinlandsprodukt in den Mitgliedsstaaten bis zum Ende dieses Jahrzehnts. Die Studie warnt sogar, dass bei einem Verharren des EU-Reduktionsziels für 2020 bei den bisherigen 20 Prozent europaweit in erheblichem Maße Investitionen und Beschäftigungseffekte ausbleiben würden.
„In traditionellen ökonomischen Modellen führt eine Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen kurzfristig zu Extra-Kosten, die gerechtfertigt werden durch die Vermeidung langfristiger Schäden“, erklärt der Leitautor Jaeger. „Wir aber zeigen, dass ein glaubwürdiges Engagement für den Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaftsweise, mit einem ehrgeizigen Ziel und entsprechenden politischen Maßnahmen, Europa in eine Win-Win-Situation bringen kann.“ Beides sei möglich: Wirtschaftswachstum und zugleich eine Verringerung der Treibhausgase.
Positive Folgen unabhängig vom Mitwirken Chinas oder der USA
Und noch entscheidender: Diese Vorteile treten auch dann auf, wenn Länder wie China oder die USA ihre bisherigen Klima-Ziele nicht weiter erhöhen würden. „Die EU muss unverzüglich und ohne weitere Vorbedingungen ihr Klimaziel auf 30 Prozent Reduktionen aufstocken. Das wäre ein wichtiges Signal für die weiteren internationalen Verhandlungen für ein weltweites Abkommen zur Begrenzung und Bewältigung des Klimawandels“, kommentiert Jan Kowalzig, Klima-Referent der Organisation Oxfam, das Ergebnis der Studie. „Denn mit den bisherigen Zielen vor allem der Industrieländer bewegt sich die Welt weiterhin auf eine Erwärmung von 4°C zu. Die Folgen dürften langfristig die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen gefährden. Viele Gesellschaften in den armen Ländern wären damit schlicht überfordert.“
„Die Botschaft der Studie für Frau Merkel und EU-Energiekommissar Oettinger ist klar: Nicht krampfhaftes Verteidigen von alten, sondern der Aufbau von neuen Strukturen schafft Arbeit und Wohlstand“, kommentiert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Wir fordern die Bundeskanzlerin auf: Setzen Sie sich für Klimaschutz und eine Investitions- und Innovationswelle in Europa ein, von der gerade auch Deutschlands Wirtschaft profitieren wird. Stellen Sie sich auf die Seite ihrer Amtskollegen etwa aus Großbritannien und Spanien, treten Sie ohne Wenn und Aber für 30 Prozent ein.“
Der Report zum Download im Netz.
(Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, 22.02.2011 – NPO)