Neurobiologie

Krebsmedikament lässt Nerven wachsen

Studie: Regenerationsfördernde Effekte von Taxol nur bei niedriger Dosierung

Axone: Oben ohne, unten mit Taxol. Die rechte Bildhälfte unten zeigt das Wachstum (hellgrüne, fadenförmige Strukturen) © D. Fischer

Am Modell des Sehnerven von Ratten haben Neurowissenschaftler enthüllt, dass der Wirkstoff Paclitaxel, als zugelassenes Krebsmedikament unter dem Namen Taxol seit 20 Jahren bekannt, auch die Regeneration von Nervenfasern im Gehirn fördert. Normalerweise können einmal durchtrennte Axone im Rückenmark oder Sehnerv nach Verletzung nicht regenerieren. Sie bleiben von ihren ursprünglichen Zielgebieten abgeschnitten.

Betroffene Patienten erleiden daher dauerhafte funktionelle Beeinträchtigungen oder Behinderungen wie zum Beispiel eine Querschnittslähmung oder Erblindung. Entscheidend für die regenerationsfördernden Effekte von Taxol, so die Forscher der Universitäten Düsseldorf und Ulm im „Journal of Neuroscience“, ist eine niedrige Dosierung des Medikamentes bei lokaler Anwendung an der Verletzungsstelle.

Zwei Studien mit ähnlichen Ergebnissen

Zu ähnlichen Ergebnissen war auch eine internationale Arbeitsgruppe unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie, Martinsried gekommen, die ebenfalls vor wenigen Tagen im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurde. Sie hatten das Rückenmark von Ratten mit Taxol behandelt. Damit wird nun belegt, dass Taxol in verschiedenen Bereichen des Gehirns und Rückenmarks erfolgreich zur Förderung der Nervenfaserregeneration eingesetzt werden kann.

Taxol stabilisiert Mikrotubuli

Der Wirkstoff setzt – wenn richtig dosiert – gleichzeitig an verschiedenen Mechanismen an, die normalerweise das Nervenwachstum verhindern: Zum einen stabilisiert Taxol bestimmte Strukturen – Mikrotubuli – in den Wachstumskegeln von verletzten Nervenfasern. Als Folge zeigen diese ein deutlich gesteigertes Längenwachstum.

Zum anderen hebt Taxol die Empfindlichkeit von diesen Wachstumskegeln gegenüber wachstumsblockierenden Molekülen auf, so die Forscher um Dietmar Fischer, Professor für Experimentelle Neurologie an der Universität Düsseldorf. Diese befinden sich normalerweise nach einer Verletzung in deren Umgebung. Darüber hinaus verzögert die Applikation des Krebsmedikaments die Narbenbildung an der Verletzungsstelle, so dass diese Regenerationsbarriere deutlich abgeschwächt wird.

Diese aktuellen Erkenntnisse, die unabhängig gleichzeitig von zwei Wissenschaftlerteams an unterschiedlichen Modellen – einmal am Rückenmark und in der vorliegenden Studie am Sehnerven von Ratten – dokumentiert wurden, sind ein ermutigendes Ergebnis für eine mögliche therapeutische Weiterentwicklung, da diese mit einem klinisch bereits etablierten Medikament für die Behandlung am Menschen erzielt wurden.

Ergebnisse auf den Menschen übertragbar?

„Wir sind vorsichtig mit Voraussagen, wie groß das Potential von Taxol oder ähnlicher Substanzen für die Anwendung beim Menschen sein könnte“, betont Fischer, „wenngleich Taxol oder ähnliche Substanzen vielversprechende Kandidaten für die Behandlung von Schädigungen des Zentralen Nervensystems, sei es durch Schlaganfall oder traumatische Verletzungen sein könnten. Weitere Untersuchungen sind hierzu unbedingt notwendig. Aus wissenschaftlicher Sicht steht uns nun allerdings ein weiterer Ansatz für die Entwicklung neuer Therapien zur Reparatur des verletzten Zentralen Nervensystems zur Verfügung.“

(Universität Düsseldorf, 17.02.2011 – DLO)

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