Die „Mars500-Mission“ nähert sich ihrem Höhepunkt: Nach einem 250-tägigen virtuellen Flug zum Mars erfolgt am 12. Februar die simulierte Marslandung und in den Tagen darauf drei Erkundungsgänge auf einer nachgebauten Marsoberfläche. Obwohl die sechs „Kosmonauten“ dann noch acht Monate des „Rückflugs“ an Bord des Isolations-„Raumschiffs“ verbringen müssen, haben die wissenschaftlichen Experimente des Mars500-Projekts bereits jetzt vielversprechende Ergebnisse erbracht.
Wenn der Russe Alexandr Smoleevsky und der Italiener Diego Urbina am 14. Februar in ihren Raumanzügen aus dem Landemodul steigen, haben sie bereits eine lange Zeit der Isolation hinter sich gebracht: Ihre virtuelle Reise zum Mars startete am 3. Juni 2010, als sich hinter ihnen die Luke für das längste jemals durchgeführte Weltraum-Simulationsexperiment schloss. „Alle sechs Crew-Mitglieder befinden sich in sehr guter körperlicher Verfassung“, erklärt Peter Gräf, DLR-Projektleiter für den
deutschen Teil der Mission. 550 Quadratmeter groß ist das „Raumschiff“, in dem die sechs Männer aus Russland, Europa und China leben. Dabei befolgen sie nicht nur einen strikten Zeitplan, der genaue Vorgaben für Experimente, Wartungsarbeiten und Fitnesstraining gibt.
Weltweit längste Stoffwechsel-Studie an isolierten Probanden
Auch der Ernährungsplan für die „Kosmonauten“ ist genau geplant. Bis zum 8. Februar 2011 fand die Ernährung unter deutscher Regie statt: Der Wissenschaftler Jens Titze von der Universität Erlangen-Nürnberg entwickelte mit seinem Team detaillierte Ernährungspläne für die erste Hälfte der Mission, von nun an werden unter russischer Regie bis zum Ende der Mission im November 2011 Astronautenkost sowie russische und koreanische Produkte auf dem Speiseplan der Crew stehen.
Für die beteiligten Wissenschaftler ist die Mission bisher sehr erfolgreich verlaufen. Die lang andauernde Isolation der Crewmitglieder unter kontrollierten Bedingungen, die Monotonie im Alltag, aber auch der hohe Leistungsdruck schaffen Bedingungen, die für die Forschung einzigartig und von großem Vorteil sind. „Selbst bei gesunden Probanden führte eine verminderte Kochsalzzufuhr in der Nahrung zu einer deutlichen Senkung des Blutdrucks“, erklärt Jens Titze von der Universität Erlangen-Nürnberg. Dies belege, dass salzreduzierte Ernährung nicht nur für Nieren- und Bluthochdruckkranke von Nutzen sei, sondern auch bei Gesunden langfristig Schlaganfall, Herzinfarkt und Arteriosklerose vorbeugen könne.
Titze hatte bei dieser Stoffwechselstudie den „Kosmonauten“ die tägliche Kochsalzzufuhr über die Monate hinweg schrittweise heruntergesetzt, während alle anderen Nahrungsbestandteile konstant gehalten wurden. Die Ergebnisse des Isolationsexperiments sollen in Zukunft auch dazu dienen, in klinischen Studien mit den Mars500-Menüplänen den Blutdruck unter Alltagsbedingungen zu senken. Parallel dazu untersuchen Wissenschaftler des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin unter anderem die Zusammenhänge von Salzzufuhr und Knochenhaushalt sowie die Ausbreitung von Keimen in einem geschlossenen Lebensbereich.
Stress hemmt Zellantworten im Immunsystem
Aufschluss gab das Mars500-Projekt den Wissenschaftlern auch über die Auswirkungen von Stress auf das menschliche Immunsystem: „Die ersten vorläufigen Studienergebnisse deuten auf eine Modulation und Hemmung bestimmter Zellantworten hin, die in der Infektabwehr bedeutsam sind“, erklärt Alexander Choukèr von der Universität München. Ziel seiner Untersuchungen ist es, das Zusammenspiel von Gehirn und Immunsystem bei Stress-Reaktionen besser zu verstehen.
Die positiven Effekte des Sports stellte Stefan Schneider von der Deutschen Sporthochschule Köln bei den Mars500-Probanden fest. „Es zeigt sich eine deutliche Verbesserung der kognitiven
Leistungsfähigkeit.“ Außerdem habe der Sport zu einem deutlichen Anstieg der Selbstsicherheit beigetragen. Wie hoch die kognitive Leistungsfähigkeit der „Kosmonauten“ war, testeten die Forscher
unter anderem mit einem iPod an Bord.
Biologische Rhythmen verändern sich
Erste Ergebnisse liegen auch bereits vor für die Untersuchung der zirkadianen Rhythmen des Menschen, das heißt der biologischen und psychischen Vorgänge im Körper, die nach einem natürlichen Rhythmus, häufig einer Tageslänge, verlaufen. Die Forscher vermuteten, dass gerade bei Langzeitflügen diese Rhythmen beispielsweise durch verminderte physische Aktivität, das Beengtsein oder auch die Veränderung des Hell-Dunkel-Zyklus beeinträchtigt würden.
Die ersten Messungen der Körperkerntemperatur während der Isolation bestätigten dies: „Die vorläufigen Ergebnisse deuten daraufhin, das zwar die zirkadiane Rhythmik zunächst erhalten bleibt, aber die Breite der Schwankungen der Körperkerntemperatur deutlich abgeschwächt werden“, zieht Hanns-Christian Gunga von der Charité Berlin Bilanz.
Für die sechs Kosmonauten geht die Reise noch weiter: Nach drei Spaziergängen auf der simulierten Marsoberfläche kehren Aleksandr Smoleevsky, Diego Urbina und Wang Yue am 27. Februar aus dem Landemodul wieder in die „Raumstation“ zu ihren drei Kollegen zurück. Anschließend dauert der Rückflug noch einmal acht Monate, bis sich am 5. November 2011 dann wieder die Luke zur Außenwelt öffnen wird.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 10.02.2011 – NPO)