Zum ersten Mal haben Forscher es geschafft, aus einzelnen Nanodrähten nicht nur einen einzelnen Transistor, sondern gleich einen ganzen Prozessor zu bauen. Obwohl dieser gerade einmal so groß ist wie ein Einzeller, kann der programmierbare Nanoprozessor bereits arithmetische und logische Aufgaben lösen wie ein „Großer“. Der jetzt in „Nature“ vorgestellte Durchbruch gelang, weil die Forscher das größte bisher bestehende Hindernis überwinden konnten: die Uneinheitlichkeit der Nanodraht-Bausteine.
Die Entwicklung eines Nanoprozessors aus einzelnen Atomen und Atomkombinationen ist ein seit langem angestrebtes Ziel der Nanotechologie. Diese Konstruktion von Materialien oder Gegenständen aus ihren einzelnen Atomen wird auch als „Bottom-Up“-Ansatz bezeichnet. Er steht im Gegensatz zum „Top-Down“-Ansatz, bei dem einfach existierende Geräte oder Bauteile immer weiter miniaturisiert werden. Doch die Konstruktion von Geräten aus ihren Atombauteilen stellt die Forschung noch vor große Schwierigkeiten.
Nanobauteile bisher zu uneinheitlich
„In den letzten zehn bis 15 Jahren hatten Forscher große Probleme, mit Nanodrähten, Kohlenstoff-Nanoröhrchen und anderen Nanostrukturen mehr als nur die allereinfachsten Schaltkreise zu bauen“, erklärt Charles M. Lieber, Forscher der Harvard- Universität und Leiter einer Studie, in dem neue Methoden des „Bottom-Up“-Ansätzen getestet wurden. „Zum großen Teil lag dies an individuellen Abweichungen in den Eigenschaften der einzelnen Nanostrukturen.“
Doch genau diese Abweichungen einzelner Bauteile konnten die Harvard-Forscher jetzt vermeiden. Es gelang ihnen, für ihre Schaltkreise Transistoren zu bauen, die aus einzelnen, standardisierten Germanium-Silizium-Nanodrähten bestanden. Für die Synthese dieser Drähte hatten die Wissenschaftler eine Methode entwickelt, die eine Produktion in reproduzierbarer Qualität ermöglicht. „Wir haben gezeigt, wie diese Begrenzung überwunden werden kann und freuen uns auf die Möglichkeiten, das ‚Bottom-up‘-Prinzip, wie es in der Biologie existiert, auch für das Entwickeln zukünftiger Elektronik einzusetzen“, erklärt Lieber.
Erster Nanoprozessor aus 496 Transistoren
Die neu entwickelten Nanotransistoren besitzen programmierbare Schwellenspannungen, so dass sie in einem Array wahlweise aktiv oder inaktiv geschaltet werden können. Aus solchen Transistoren konstruierten die Wissenschaftler ein logisches Gitter von nur 960 Quadratmikrometern Größe, in dem 496 dieser konfigurierbaren Nanotransistoren in zwei miteinander verbunden Arrays lagen. Dieser Nanoprozessor kann so programmiert werden, dass er eine ganze Reihe digitaler logischer Operationen durchführt und dabei sogar noch weitere logische Gitter in einer Kaskadensequenz unterstützt.
„Diese Arbeit ist ein Quantensprung in Bezug auf Komplexität und Funktion von Schaltkreisen, die ‚von unten‘ gebaut werden“, erklärt Lieber. „Sie demonstriert, dass mit dem ‘Bottom-up’-Paradigma, das sich vom Bauprinzip der heutigen kommerziellen Schaltkreise deutlich unterscheidet, zukünftig Nanoprozessoren und andere integrierte Systeme konstruieren lassen.“ Die neu entwickelte Gitterarchitektur ist vollständig skalierbar, so dass auch eine Erweiterung auf größere Gitter möglich ist.
Zukunftsträchtig dank geringer Größe und niedrigem Energieverbrauch
Eine weitere positive Eigenschaft der neuen Nanoprozessoren ist ihr geringer Energieverbrauch: Einmal programmiert, benötigen die Nanodraht-Transistoren keinen weiteren Strom für ihre Arbeit. „Wegen ihrer geringen Größe und dem extrem niedrigen Stromverbrauch sind diese neuen Nanoprozessoren Bauteile, die eine ganze Klasse von kleineren und leichteren Elektronikgeräten und Sensoren steuern und kontrollieren können“, erklärt Shamik Das, leitender Ingenieur der an den Arbeiten beteiligten Firma Mitre Nanosystems. „Der neue Nanoprozessor stellt einen bedeutenden Meilenstein in Richtung auf den Nanocomputer dar, wie ihn sich bereits vor 50 Jahren der Physiker Richard Feynman vorstellte.“
(Harvard University, 10.02.2011 – NPO)