Die Ausbreitung der ersten Bauern vor rund 8.000 Jahren geriet in Nordeuropa für fast 1.500 Jahre ins Stocken. Warum, erklären spanische Forscher jetzt mit Hilfe eines mathematischen Modells. Demnach waren es nicht klimatische Ursachen, sondern die Konkurrenz durch die im Norden deutlich dichtere Jäger und Sammler-Bevölkerung. Ihre hohe Populationsdichte ließ den Einwanderern schlicht keinen Platz um sich zu etablieren und auszubreiten, so die Wissenschaftler im „New Journal of Physics“.
Eine der bedeutendsten Wandlungen in der menschlichen Geschichte ereignete sich vor rund 10.000 Jahren: die Entdeckung der Landwirtschaft. Die Menschen des Nahen Ostens waren die ersten, die von einer Gesellschaft der Jäger und Sammler zu einer Lebensweise als sesshafte Bauern wechselten. Von dort aus wanderten die Bauern allmählich nach Norden, über den Balkan und das restliche Europa. Aber während die ersten Belege für eine Bewirtschaftung von Feldern in Südeuropa schon aus der Zeit vor 8.000 bis 9.000 Jahren stammen, stockte die weitere Ausbreitung nach Norden erstmal.
Ausbreitung stockte in Nordeuropa
Im Norden Europas mit Norddeutschland, Skandinavien und Großbritannien finden sich erst rund 1.500 Jahre später die ersten Zeugnisse einer landwirtschaftlichen Lebensweise. Aber warum? Dazu gab es in den letzten Jahren mehrere Theorien, allerdings nur wenige Daten. Jetzt haben spanische Physiker ein mathematisches Modell eingesetzt, das eine neue Erklärung für die gehemmte Ausbreitung der Bauern liefern könnte. Das „Reaktions-Diffusions“-Modell analysierte, welche Rolle die Populationsdichte der verschiedenen Menschengruppen für die Ausbreitung der Bauern spielte. Je dichter die Population der Jäger und Sammler, desto weniger Platz stand für die Ausbreitung der Neuankömmlinge zur Verfügung.
Starke Konkurrenz für neuankommende Bauern
„Das Modell zeigt, dass die Verbreitung und Reproduktion der ersten Farmer durch die hohe Dichte der Jäger und Sammler in Nordeuropa beschränkt wurde”, erklärt Neus Isern, Physiker der Universität von Girona. Die aus Süden einwandernden Bauern brauchten daher in diesen Regionen deutlich länger, um sich etablieren zu können. Vorstellbar wäre durchaus, dass sie teilweise aktiv von den dort lebenden Jägertrupps angegriffen und vertrieben worden sind.
Nach Ansicht der Autoren ist ihr neu entwickeltes Modell auch geeignet, andere Fälle von Einwanderungen oder Invasionen zu modellieren. Es lässt sich immer dann einsetzen, „Wenn einheimische Populationen und Einwanderer innerhalb einer biologischen Nische um Platz konkurrieren, egal ob im Falle von natürlichen Habitaten oder in mikrobiologischen Kulturen.“ (New J. Phys., 2010; doi: 10.1088/1367-2630/12/12/123002)
(Plataforma SINC, 07.02.2011 – NPO)