Medizin

Malariamedikament könnte gegen Demenz helfen

Wirkstoff Chloroquin fördert Produktion von Nervenschutzfaktor

Bei der Frontotemporalen Demenz baut der vordere und seitliche Teil der Hirnrinde ab. © CC-by-sa 3.0

Wissenschaftler haben einen vielversprechenden Ansatz für eine Behandlung der sogenannten Frontotemporalen Demenz, einer alzheimerähnlichen Erkrankung, gefunden. Wie sie im „Journal of Neuroscience“ berichten, können bestimmte Medikamente gegen Malaria oder Herzkrankheiten den fortschreitenden Untergang der Gehirnzellen aufhalten. Sie regen die Produktion eines wichtigen Nervenschutzfaktors wieder an, die durch die Krankheit gedrosselt wurde.

Die Frontotemporale Demenz wird durch einen Abbau von Nervenzellen im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns (Fronto-Temporal-Lappen) hervorgerufen, was unter anderem eine Veränderung der Persönlichkeit und des Verhaltens zur Folge hat. Ursache einiger Formen der Frontotemporalen Demenz ist eine genetisch bedingte Reduktion eines hormonartigen Wachstumsfaktors, des Progranulins. Progranulin wird im menschlichen Gehirn als ein Schutzfaktor für empfindliche Nervenzellen benötigt; zu wenig Progranulin resultiert daher in einem fortschreitenden Nervenzelluntergang.

Förderung der Progranulin-Produktion durch „Entsäuerung“

Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Universität München um Anja Capell und Professor Christian Haass haben nun gezeigt, dass verschiedene Medikamente, die bereits zur Behandlung von Malaria, Angina pectoris oder Herzrhythmusstörungen auf dem Markt sind, die Produktion von Progranulin steigern können. Demnach sind diese Medikamente gute Kandidaten für eine Behandlung dieser speziellen Form der Frontotemporalen Demenz.

Wie für fast jedes andere Gen gibt es auch für Progranulin zwei Kopien in der Zelle. Bei Patienten mit Progranulin abhängiger Frontotemporaler Demenz ist eine der beiden Kopien defekt, was zu einer etwa 50-prozentigen Reduktion des Progranulinspiegels führt. Um dem Mangel an Progranulin entgegenzuwirken, testeten die Münchner Forscher verschiedene Substanzen auf ihre Fähigkeit, die verbleibende Progranulinproduktion anzukurbeln und identifizierten so einen Wirkstoff namens Bafilomycin (BafA1). Den molekularen Wirkmechanismus von BafA1 untersuchten sie genauer. Wachstumsfaktoren wie Progranulin werden in zellulären Membraneinschlüssen, sogenannten Vesikeln, hergestellt. BafA1 wirkt auf diese Vesikel alkalisierend: Nach Gabe von BafA1 ist das Medium in den Vesikeln weniger sauer – und dies steigert die Produktion von Progranulin.

Wirksam alkalisierende Substanzen in drei etablierten Medikamenten entdeckt

Diese Beobachtung ermutigte die Forscher, auch weitere alkalisierende Substanzen auf ihre Fähigkeit hin zu untersuchen, den Progranulinspiegel anzuheben. Diesen Test bestanden unter anderem drei Medikamente, die bereits zur Behandlung verschiedener Erkrankungen auf dem Markt sind: ein Mittel gegen Angina pectoris (Bepridil), eines gegen Herzrhythmusstörungen (Amiodarone) und das vielfach eingesetzte Malariamedikament Chloroquin. Chloroquin erhöhte den Progranulinspiegel nicht nur in Versuchen mit Mauszellen auf den Normalwert, sondern auch in Zellen von Patienten mit defektem Progranulin-Gen.

Ob Chloroquin auch tatsächlich bei Progranulin abhängiger Frontotemporaler Demenz hilft, wird das Team von Haass und Capell nun in einer klinischen Studie in Zusammenarbeit mit der Universität in London testen. Die Untersuchungen am Menschen können sehr rasch gestartet werden, da Chloroquin bereits bei zahllosen Menschen eingesetzt wurde, so dass nicht mit schwerwiegenden Nebenwirkungen gerechnet werden muss.

Auch wenn die Münchner Wissenschaftler optimistisch sind, warnt Haass dennoch vor überzogenen Hoffnungen. “Der Schritt vom Zell- und Tiermodell zum Patienten ist erfahrungsgemäß mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und es wird etliche Jahre dauern, bis wir wissen, ob Chloroquin bei Progranulin abhängiger Frontotemporaler Demenz eingesetzt werden kann“, so Haass. (Journal of Neuroscience, 2011; DOI:10.1523/JNEUROSCI.5757-10.2011)

(Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), 03.02.2011 – NPO)

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