Energie

„Grüne“ Stromversorgung bis 2050 machbar

Sachverständigenrat stellt „Wege zur 100 Prozent erneuerbaren Stromversorgung“ vor

Offshore-Windpark © Hochschule Bremerhaven

Eine Stromversorgung zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien in Deutschland ist bereits im Jahr 2030, spätestens aber bis zum Jahr 2050 machbar – und dies ohne Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke oder neue Kohlekraftwerke. Das ist das Fazit eines Sondergutachtens des Sachverständigenrates für Umweltfragen. In ihm empfehlen die Experten unter anderem die Beibehaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die stärkere Förderung der Offshore-Windenergie und eine engere Vernetzung in Europa.

Wie sieht die Energieversorgung Deutschlands im Jahr 2050 aus? Zu dieser Frage hatte bereits im Mai 2010 der Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) auf der Basis verschiedener Szenarien unterschiedliche Möglichkeiten einer vollständig erneuerbaren Stromversorgung aufgezeigt. Das Ergebnis damals: Der Übergang dorthin ist ohne eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke oder neue Kohlekraftwerke möglich. Auf der Basis einer möglichst starken Kostenoptimierung ergab sich, dass die Windenergie, insbesondere die Offshore- Windenergie, bis zum Jahr 2050 in allen Szenarien eine herausragende Bedeutung erhalten wird.

Um dorthin zu kommen, sehen die Experten in ihrer Studie „Wege zur 100 % erneuerbaren Stromversorgung“ vor allem die Energieeffizienz die eigentliche Brückentechnologie

für eine vollständige Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien und müsse entsprechend gefördert werden. Außerdem befürwortet der Umweltrat unter anderem einen Erhalt des Erneuerbare-Energien-Gesetzes: „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Erfolgsmodell mit internationaler Strahlkraft. Seine tragenden Säulen, der Vorrang der Einspeisung und die feste Vergütung, sollten weitestgehend erhalten bleiben“, erklärt Karin Holm-Müller, Ökonomin im Umweltrat.

Verzicht auf Förderung gefährdet Erfolg der Erneuerbaren

Eine europäische Einspeisevergütung, flexible Marktprämien für die Windenergie oder gar ein Verzicht auf die Förderung würden den Erfolg der erneuerbaren Energien gefährden. Reformbedarf bestehe allerdings hinsichtlich der Kosten der Förderung. Deshalb sollte die Förderung der zu schnell wachsenden und vergleichsweise teuren Photovoltaik deutlich reduziert und gedeckelt werden.

„Nur eine 100 Prozent erneuerbare Stromversorgung ist wirklich nachhaltig“, sagte Professor Martin Faulstich, Vorsitzender des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU), anlässlich der Übergabe des Sondergutachtens an Bundesumweltminister Röttgen. „Diese ist langfristig realistisch und bezahlbar, wenn die Bundesregierung heute verlässliche Anreize für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, der notwendigen Speicher und der Netze setzt.“

Ausschreibungsmodell soll Offshore- Windenergie fördern

Für einen besseren und effizienteren Ausbau der Offshore- Windenergie schlägt der Umweltrat ein staatliches Ausschreibungsmodell vor, nach dem Betreiber den Bau und Betrieb von Anlagen zu möglichst niedrigen, aber festen Vergütungssätzen anbieten. Bei der Biomasse sollten vor allem die Nutzung von Reststoffen und der Einsatz im Lastfolgebetrieb gefördert werden. Der NaWaRo-Bonus sollte abgeschafft werden. Insgesamt sollte das Ziel einer nachhaltigen Stromversorgung durch eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien bis 2050 fest in der deutschen Energiepolitik verankert werden.

„Der Ausbau der Stromnetze für die erneuerbaren Energien muss beschleunigt und zugleich beteiligungsfreundlicher gestaltet werden“, so der Rechtswissenschaftler Christian Calliess. Hierfür schlägt der Umweltrat einen Bundesfachplan „Stromübertragungsnetz 2030“ vor. Dieser soll unter Beteiligung zentraler Interessenträger entwickelt werden. Die Anreize für

Netzinvestitionen sollten verbessert werden, besonders wichtige Stromtrassen sollten ausgeschrieben werden.

Stärkere Vernetzung Europas gefordert

Von großer Bedeutung ist nach Einschätzung der Experten die Flankierung des Übergangs zur erneuerbaren Stromversorgung auf nationaler Ebene durch die europäische Klima- und Energiepolitik, insbesondere durch den Ausbau der europäischen Stromnetze und eine „Europäische Roadmap für erneuerbare Energien 2030“. Erneuerbare Energiequellen müssen den zentralen Beitrag für die Klimaneutralität der europäischen Stromversorgung und eine Verminderung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 % bis 2050 leisten.

„Das bisher vollkommen unterschätzte große Potenzial an Speicherenergie in Norwegen muss endlich erschlossen werden“, mahnt der Energieökonom des Rates, Olav Hohmeyer. Die Bundesregierung sollte sich daher für eine engere Zusammenarbeit mit Norwegen einsetzen und damit für einen stabilen Investitionsrahmen für die Netzanbindungen und den Ausbau der Pumpspeicher sorgen.

Reaktionen zwischen Beifall und Widerspruch

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßte die klaren Aussagen des Sachverständigenrates für Umweltfragen, dass eine Stromversorgung zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien in Deutschland bereits im Jahr 2030, spätestens aber bis zum Jahr 2050, nicht nur machbar, sondern auch sicher und ökonomisch vorteilhaft ist. BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann: „Das Sondergutachten des SRU bestätigt die Ziele des BEE auf ganzer Linie und bestärkt unsere Auffassung, dass sowohl Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke als auch der Bau neuer Kohlekraftwerke für eine sichere Stromversorgung nicht erforderlich sind.“

Weniger begeistert äußerte sich die Solarbranche. Sie lehnt eine starre Mengenbegrenzung für Solarstrom, wie vom Umweltrat vorgeschlagen, strikt ab. Ein solcher „Deckel“ würde wettbewerbliche Marktmechanismen außer Kraft setzen und 130.000 Arbeitsplätze in Deutschland gefährden. Er vermeide zudem keine Kosten, sondern richte erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden an, so die Einschätzung des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar).

Das Sondergutachten „Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung“ finden Sie hier im Netz

(Sachverständigenrat für Umweltfragen, 27.01.2011 – NPO)

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