Archäologie

Forscher lassen „Götter von Tell Halaf“ auferstehen

Monumentalskulpturen in einem einzigartigen Restaurierungsprojekt wieder zusammengesetzt

Die "thronende Göttin" von Tell Halaf - wiederauferstanden aus Bruchstücken © TU-Pressestelle/Dahl

70 Jahre nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg sind die 3.000 Jahre alten monumentalen Statuen aus dem altsyrischen Tell Halaf nun wieder in fast der alten Pracht zu sehen. In jahrelanger Puzzle-Arbeit setzten Archäologen und Mineralogen die rund 27.000 einzelnen Bruchstücke wieder zusammen.

Zwischen 1911 und 1913 führte der deutsche Archäologe Max von Oppenheim im heutigen Syrien Ausgrabungen durch, die einen ganz besonderen Schatz zutage förderten: Er entdeckte Gosan, die im 2. Jahrtausend vor Christus erbaute Residenz des aramäischen Stammesfürsten Bachianu. Zu den Funden gehörten auch 200 Reliefplatten sowie einzigartige Monumentalfiguren, die Eingänge und Durchlässe bewachten, darunter Sphingen, Greife und Götterstatuen.

Bombe zersprengte einzigartige Funde in 27.000 Einzelteile

Die Fundstücke wurden nach Berlin transportiert und in einem Museum gezeigt. Doch 1943 erhielt das Museum einen Bombentreffer, die 3.000 Jahre alten Statuen und Reliefs wurden vollständig zerstört und zerbarsten in gut 27.000 Teile. 55 Jahre lang, von 1944 bis 1999, lagerten die Trümmer in den Kellern und Außendepots des Pergamonmuseums – von den Gelehrten als unwiederbringliches Kulturgut abgeschrieben.

Rekonstruktion nur mit Hilfe von Mineralogen möglich

Doch es sollte anders kommen: Im Jahr 2001 begann unter Leitung der Archäologin Nadja Cholidis vom Vorderasiatischen Museum Berlin die wissenschaftliche Erforschung und Restaurierung der Funde. Die äußeren Steine konnten die Forscher anhand des Dekors wie wallenden Löwenmähnen, Tatzen, Barthaaren, Haarschmuck, Gefieder, Fell, Sehnen und Muskeln zusammengesetzt werden. Bei jenen Steinen jedoch, die aus dem Inneren der Skulpturen stammten, holten sich Cholidis und ihre Kollegen Hilfe bei Mineralogen der Technischen Universität Berlin.

Die "thronende Göttin" mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sie wieder haben auferstehen lassen: die Mineralogin Kirsten Drüppel, die Archäologin Nadja Cholidis, der Steinrestaurator Stefan Geismeier, der Archäologe Lutz Martin (v.l.). © TU-Pressestelle/Dahl

Zur Beschreibung der Basaltteile, die kein Dekor haben, kristallisierten die Mineralogin Kirsten Drüppel und ihr Team verschiedene mineralogische Kriterien heraus, wobei die Verteilung von Blasenhohlräumen sowie der Verwitterungsgrad und die Verwitterungsfarbe des Minerals Olivin sich als sicherste Kriterien für eine korrekte Zuordnung erwiesen. Auf dieser Grundlage gelang das schwierige Vorhaben, bisher nicht zuzuordnende Teile einfügen zu können.

Von Oppenheim irrte: Steine stammen nicht aus El Kbise

Drüppels Nachforschungen zur Herkunft der Basalte in der Türkei und Syrien widerlegen zudem auch Max von Oppenheims Herkunfts-Vermutung. Er nahm noch an, dass sie aus dem vom Tell Halaf nur 15 Kilometer nördlich gelegenen Steinbruch El Kbise stammen. Die TU-Wissenschaftlerin kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Basalt aus dem 60 Kilometer südlich gelegenen Basaltplateau Ard esh-Sheik gewonnen wurde.

Löschwasser für viele Zerstörungen verantwortlich

Zu ebenfalls neuen Erkenntnissen führt die Rekonstruktion des Brandverlaufs. „Wir fanden auf dem Basalt zum Beispiel Apatit, ein Reaktionsprodukt aus weißem Phosphor und dem Karbonat der Kalksteinreliefs. Das lässt den Schluss zu, dass eine Phosphorbombe eingeschlagen war“, erzählt

Drüppel. Und sie konnte eine schon früher aufgestellte Hypothese bestätigen: Die konzentrischen Rissstrukturen bei zahlreichen Basaltobjekten sind eine Folge der Löscharbeiten. „Die Risse deuten auf eine rasche Abkühlung der Bildwerke durch Löschwasser hin, was wiederum erklären würde, warum der Basalt in oftmals nur zentimeterkleine Teile zersprungen war“, so die Forscherin.

Internetseite zur Ausstellung

(Technische Universität Berlin, 26.01.2011 – NPO)

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