In China hat ein internationales Forscherteam den ersten bekannten Dinosaurier mit nur einem Finger an jeder Hand entdeckt. Während der Tyrannosaurus rex immerhin noch zwei Finger besaß und die meisten anderen Vertreter seiner Gruppe sogar drei, belegt die Einzelklaue des neuentdeckten „Linhenykus monodactylus“ die Komplexität der Handformen bei den vogelähnlichen Dinosauriern. Der nur papageiengroße „Einfinger-Dino“ nutzte seine Handklaue vermutlich zum Aufbrechen von Insektennestern, wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten.
Der große Raubsaurier Tyrannosaurus rex und seine Vorfahren gehören zur Gruppe der Theropoden – den Dinosauriern, aus denen später die modernen Vögel hervorgegangen sind. Allen Theropoden ist gemeinsam, dass ihre Vorderarme und Hände eher reduziert und klein ausfallen und gar nicht oder kaum zum Laufen benutzt werden. Im Laufe der Evolution reduzierte sich zudem die Anzahl der Finger: Die besonders vogelähnlichen Alvarezsauridae besaßen nur noch drei Finger an jeder Hand, davon war der Daumen besonders groß ausgeprägt, die beiden äußeren Finger dagegen eher kümmerliche Anhängsel.
Papageiengroßer Fossilfund aus der Kreidezeit
Jetzt hat ein internationales Forscherteam in China einen bisher unbekannten Vertreter dieser Alvarezsauridae entdeckt, der als erster seiner Gruppe nur einen einzigen Finger besaß. Das partielle Skelett des Linhenykus monodactylus getauften Dinosauriers wurde in der Wulansuhai Formation nahe der chinesisch-mongolischen Grenze entdeckt. Mit einem Alter von 84 bis 75 Millionen Jahren stammt das Fossil aus der späten Kreidezeit und damit aus der Blütezeit der Dinosaurier. Der Linhenykus war vermutlich nur rund 30 Zentimeter groß und wog nur so viel wie ein großer Papagei.
Hand mit nur einem Finger
Die große Besonderheit des neuen Funds ist jedoch die Umbildung seiner Hände zu nur jeweils einer großen Klaue. Linhenykus ist damit der einzige bekannte Dinosaurier mit nur einem Finger. Er setzte diesen vermutlich dazu ein, Insektennester aufzugraben. „Die Nicht-Vogel-Theropoden beginnen mit fünf Fingern, aber entwickelten sich dann zu nur noch dreifingrigen späteren Formen“, erklärt Michael Pittman vom University College London, einer der Entdecker des Fossils. „Die Tyrannosaurier waren schon ungewöhnlich, weil sie nur zwei Finger hatten. Aber der einfingrige Linhenykus zeigt nun, wie umfangreich und komplex die Handmodifikationen bei den Theropoden tatsächlich waren.“
Restliche Finger von Evolution wegrationalisiert
Die Präsenz nur noch eines Fingers bei dem als relativ primitiv eingestuften Alverezsaurier Linhenykus belegt, dass die äußeren Reliktfinger offenbar keineswegs bei allen Mitgliedern dieser Dinosauriergruppe vorhanden waren. Die Ursache für den Verlust der äußeren Finger bei Linhenykus ist noch unklar. Möglicherwiese spiegelt dies nur die Tatsache wider, dass sie keine Funktion mehr hatten und daher nicht durch die Selektion aktiv erhalten wurden.
„Reliktstrukturen wie die Bein bei Walen und Schlangen können scheinbar zufällig im Laufe der Evolution auftauchen und verschwinden“, so Jonah Choiniere vom American Museum of Natural History. „Linhenykus betont die Relikthaftigkeit der äußeren Finger bei fortgeschrittenen Alvarezsauroiden und unterstreicht die Komplexität in der Evolution dieser Reliktfinger.“ (PNAS, 2011; doi: 10.1073/pnas.1011052108)
(University College London, 25.01.2011 – NPO)